Reden für die Völker

Es bleibt dabei: Wegen seiner Äußerungen zu den Terroranschlägen vom 11. September 2001
muss Horst Mahler 7 200 Euro Strafe zahlen. von sebastian schneider

Am Ende fand das Gericht sogar Charaktereigenschaften Horst Mahlers, die es als strafmildernd bewertete. Schließlich habe Mahler während seiner langjährigen Haft in den siebziger Jahren seine politische Überzeugung grundlegend geändert und sich vom bewaffneten Kampf abgewandt. Dass er seinen Dienst an der »Volksgemeinschaft« nicht mit Waffen leisten wolle, betonte Horst Mahler tatsächlich immer wieder: »Unser Kampf kann nicht bewaffnet sein, es muss ein geistiger Kampf um die Köpfe sein.« Zum Beispiel im Gerichtssaal.

Vor dem Mainzer Landgericht musste sich in den vergangenen Wochen der Rechtsextremist Horst Mahler wegen der öffentlichen Billigung von Straftaten verantworten. Es ging um seine Erklärung für das von einem »Vierten Reich« träumende Deutsche Kolleg. Unter dem Titel »Independence Day Live« rechtfertigte Mahler die Anschläge vom 11. September 2001 schon am Tag danach.

In einem Interview mit dem ZDF wiederholte Mahler seine Ansichten und sprach den Attentätern seine »Hochachtung« aus. Das war dem zuständigen Amtsgericht in Mainz im vergangenen Jahr eine Geldstrafe in Höhe von 7 200 Euro wert, wogegen sowohl Mahler als auch die Staatsanwaltschaft in die Berufung gingen.

Von seinen Äußerungen rückte Mahler in der Berufungsverhandlung keineswegs ab. Die Argumentation Mahlers und seines Verteidigers, des NPD-Anwalts Hans Günter Eisenecker, lautete vielmehr so: Mahler sei zum Zeitpunkt des Interviews davon ausgegangen, dass die Terroranschläge die Tat »mutiger Widerstandskämpfer« gewesen seien. Mittlerweile sei aber erwiesen, dass die Anschläge von US-amerikanischen Geheimdiensten verübt worden seien. Damit sei die Straftat weggefallen, deren Billigung Mahler vorgeworfen wurde.

Um seine Thesen zu beweisen, bot Mahler eine Fülle von Anträgen auf. Gleich zu Beginn des Prozesses sollten Gerhard Schröder und Rudolf Scharping nach ihrem Wissen über den 11. September befragt und ein Interview des Tagesspiegel mit Andreas von Bülows sollte als Beweismaterial herangezogen werden. Im Prozess zitierte Mahler auch ausführlich aus Mathias Bröckers’ Buch »Verschwörungen, Verschwörungstheorien und die Geheimnisse des 11.9.«

Mit einer eineinhalbstündigen Darbietung, per »Bildwerfer« auf eine Leinwand projiziert, versuchte Mahler dem sichtlich genervten Gericht darzulegen, dass das World Trade Center und das Pentagon nicht von Flugzeugen getroffen worden seien. Die dargebotenen Bilder, Grafiken und Statistiken waren offensichtlich allesamt den einschlägigen verschwörungstheoretischen Seiten des Internet entnommen.

Mahler zeigte sich überzeugt davon, dass das World Trade Center fachmännisch gesprengt, das Pentagon von einer Bunker brechenden Rakete getroffen und die Öffentlichkeit durch »stümperhaft gefälschte« Videos getäuscht worden sei. Das angereiste Publikum, das zum größten Teil aus alten bis sehr alten Nazi-Kadern und einigen jungen Anhängern bestand, verfolgte Mahlers Vortrag gespannt. Offensichtliche Ungereimtheiten überspielte Mahler mit wohl humoristisch gemeinten Sprüchen, die das Publikum mit leisem Gelächter honorierte: »Alles Gute kommt von oben.«

Mahler behauptete, die US-Regierung habe US-Bürger umgebracht, »um die Öffentlichkeit auf einen der blutigsten Kriege einzustellen, der Millionen Opfer fordern wird und in dem Atombomben fallen werden«. Mit den Anschlägen sollte ein neues Feindbild, der Islam, geschaffen und mit der so gewonnenen öffentlichen Zustimmung ein weltweiter Feldzug zur Durchsetzung des »American way of life« geführt werden. Schon in seiner Erklärung im Jahr 2001 sprach er davon, dass die USA einen Krieg gegen »die Völker« führen würden. »Die Völker« müssten sich nun erheben, um gegen die »mammonistische Weltherrschaft« und »Israel, den biblischen Völkermörder«, zu kämpfen.

Sämtliche Fragen in seinem 27 Seiten umfassenden Beweisantrag sollten dem Auswärtigen Amt übergeben werden, damit dieses sie an das US-Justizministerium zur Beantwortung weiterleite.

In den westlichen Medien herrsche ein »Schweigekartell«, sagte Mahler. Wie bei den Geschehnissen um Pearl Harbor gebe es um die Anschläge vom 11. September ein organisiertes Schweigen. Bei dem Angriff der Japaner auf den US-Marinestützpunkt 1941 habe es sich um eine von den USA provozierte Aktion gehandelt. Scheinbar angespornt durch das für die Rechtsextremen erfolgreich verlaufene NPD-Verbotsverfahren, wiesen Eisenecker und Mahler dem Prozess eine welthistorische Bedeutung zu. Die spärlichen Äußerungen des Staatsanwalts würden zum »Dokument der Justizgeschichte« werden.

Doch das Gericht lehnte schließlich alle Beweisanträge Mahlers ab. Es verwies dabei stets auf die offensichtliche »Allgemeinkundigkeit« der Terroranschläge. Schon eher interessierte sich das Gericht für Mahlers Lebensgeschichte und seine Einstellung zum bewaffneten Kampf. »Beim Angeklagten handelt es sich zweifellos um eine der bizarrsten Persönlichkeiten der BRD in den letzten 30 Jahren«, sagte der Staatsanwalt in seinem Plädoyer.

Mahlers Weg von der SPD, dem Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS) und Vorläufern der RAF über die KPD/AO und die FDP zur NPD, die er mittlerweile auch schon wieder verlassen hat, ist aber weit weniger bizarr, als es den Anschein hat. Schon immer ging es Mahler um die »nationale Befreiung«. Und auch der Antisemitismus stellt eine Konstante in seiner Lebensgeschichte dar. So bezeichnete er 1972 die Ermordung elf israelischer Olympiateilnehmer als »mutige Kommandoaktion«.

Auch während des Prozesses offenbarte Mahler immer wieder seine antisemitische Weltanschauung. »Warum darf der jüdische Publizist Henryk M. Broder in seinem neuen Buch ungestraft Personen des öffentlichen Lebens der BRD beleidigen? Ist er vielleicht ein Einflussagent einer ausländischen Macht, oder ist er als Zionist in Deutschland unangreifbar?«

Das Gericht begründete die Bestätigung des Urteils gegen Mahler am Mittwoch der vergangenen Woche auch mit dessen Äußerung zum Olympia-Attentat von 1972.