War Does Not Pay

Steuersenkungen, Kriegshaushalt, Wohlfahrtsgesetze: Die Bush-Administration steckt drei Niederlagen in Folge ein. von tim blömeke

Während eines Krieges ist die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit abgelenkt, und die Regierung hat innenpolitisch weitgehend freie Hand, ihre Lieblingsprojekte ohne großen Widerstand durchzusetzen. Sollte diese alte Kriegsgegnerweisheit in den Gleichungen der Bush-Administration über die Vor- und Nachteile eines dritten Golfkriegs eine Rolle gespielt haben, wäre nun der Anlass für eine gründliche Überarbeitung der Parameter gegeben: In der vergangenen Woche musste das Weiße Haus gleich drei Niederlagen im von der republikanischen Partei des Präsidenten dominierten Kongress einstecken.

Am Dienstag stimmte der Senat über einen Haushaltsplan in Höhe von 2,2 Billionen Dollar ab, der mit 350 Milliarden Dollar bis 2013 weniger als die Hälfte der von der Administration geplanten Steuersenkungen vorsieht. In einer vorangegangenen Abstimmung hatten moderate Republikaner gemeinsam mit Senatoren der Demokratischen Partei einen letzten Änderungsantrag abgelehnt, der die Steuersenkungen um weitere 67 Milliarden Dollar aufstocken sollte. Da das Repräsentantenhaus in der vorvergangenen Woche Bushs Steuersenkungen in vollem Umfang akzeptiert hatte, landet der Haushaltsplan nun in einem Vermittlungsausschuss, der eine für beide Kammern des Kongresses akzeptable Fassung ausarbeiten soll. Eines der Kernstücke von Bushs Haushaltsplanung, die Abschaffung der Steuerpflichtigkeit von Einnahmen aus Dividenden, steht nun auf der Kippe. Die Regierung kritisierte die Entscheidung des Senats und kündigte an, »daran zu arbeiten, dass der endgültige Haushaltsplan all die wachstumsfördernden Maßnahmen enthält, die den amerikanischen Arbeitern zustehen«.

Befürworter der Steuersenkungen argumentieren, der vom Weißen Haus vorgelegte Plan werde die Börse stärken, den Investitionsspielraum der Unternehmen erhöhen und den Konsum ankurbeln. Gegner argumentieren, das Staatsdefizit habe mit 400 Milliarden Dollar ohnehin schon alle Rekorde gebrochen; Steuersenkungen seien angesichts der Kriegsausgaben das exakte Gegenteil der in solchen Situationen gebotenen Einschnitte.

Tags darauf folgte die nächste Enttäuschung für die sich in Umfragen einer ungebrochenen Beliebtheit erfreuende Regierung: In beiden Kammern des Kongresses stieß der 74 Milliarden Dollar umfassende Kriegshaushalt des Weißen Hauses auf große Skepsis. Der Fraktionsführer der Republikaner im Repräsentantenhaus, Tom DeLay (Texas), äußerte gegenüber der Presse, die von Bush geforderte »Flexibilität« in diesem Nachtragshaushalt sei »äußerst kontrovers« zu bewerten. Der Antrag der Regierung forderte unter anderem 500 Millionen Dollar für das Justizministerium zur Terrorismusbekämpfung, 1,5 Milliarden Dollar für das Department of Homeland Security, knapp 60 Milliarden Dollar für das Pentagon und zusätzliche 150 Millionen zur »Unterstützung einheimischer Kräfte« im Irak, die mit den US-Streitkräften zusammenarbeiten. In diese Kategorie fallen Gruppen, die »militärische oder paramilitärische Aktionen in vom Feind kontrollierten oder (US-) feindlichen Gebieten durchführen und in wenig sichtbarer oder verdeckter Weise offensiv« vorgehen.

»Der Kongress war immer sehr zurückhaltend, wenn es darum ging, der Regierung zu viel Entscheidungsspielraum bei den Ausgaben zu gewähren. Es liegt in unserer Verantwortung, die Staatsausgaben zu steuern.« Für Tom DeLay, der sich in erster Linie als Bushs Einpeitscher im Repräsentantenhaus einen Namen gemacht hat, sind dies vergleichsweise harte Worte.

In den Reihen der Demokratischen Partei wurde der beantragte Krieghaushalt als »eine Aneinanderreihung von Schmiergeldtöpfen« bezeichnet und als Versuch, den Krieg als Instrument zur Entmachtung des Kongresses zu missbrauchen. »Seit dieser Kerl Präsident ist, haben sie wirklich jedes größere Ereignis dazu benutzt, die Macht des Kongresses zu beschneiden«, meinte dazu der von der Bush-Administration zuletzt sehr umworbene demokratische Abgeordnete George Miller (Kalifornien). »Diese Leute würden es vorziehen, wenn der Kongress nicht existierte. Sie sehen den Kongress nur als Belastung.« Ob Miller damit nur seinen Preis in die Höhe treiben will oder nicht, sei dahingestellt. Bemerkenswert ist, dass erstmals seit dem 11. September 2001 im Kongress parteiübergreifend Kritik an der Regierung laut wird.

Am Donnerstag schließlich kippte endgültig eines der bereits im Wahlkampf 2000 angekündigten Projekte der Bush-Administration, die so genannte Faith-Based Initiative. Gedacht als Geschenk an die religiösen Fundamentalisten, mit deren Unterstützung sich Bush im Vorwahlkampf gegen seinen liberaleren innerparteilichen Konkurrenten John McCain (Arizona) durchgesetzt hatte, sollte die Initiative die Ausübung staatlich finanzierter Wohlfahrtsaufgaben durch private religiöse Träger regeln, die ihrerseits von den Auflagen der Antidiskriminierungsgesetze befreit werden sollten. Das Repräsentantenhaus hatte einen entsprechenden Gesetzentwurf bereits verabschiedet.

Im eher kosmopolitischen Senat erwies sich auch eine stark verwässerte Fassung als nicht durchsetzbar und wurde aufgegeben. Zu den Unterstützern der Initiative zählte auch Joseph Lieberman, der demokratische Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten bei den letzten Wahlen. Verabschiedet wurden lediglich Steuererleichterungen für Spenden an Wohlfahrtsorganisationen. »Ich hätte gern die ganze Enchilada gehabt, aber dieses Jahr kann man froh sein, wenn man im Senat überhaupt irgendetwas durchkriegt«, meinte dazu der engagierteste republikanische Unterstützer der Faith-Based Initiative, Rick Santorum aus dem von christlichen Sekten geprägten Pennsylvania. Jim Towey, der Verantwortliche des Weißen Hauses für die Faith-Based Initiative, kündigte an, der Präsident werde seine Kampagne gegen die Diskriminierung religiöser Gruppen fortsetzen.

Sowohl der Kriegsverlauf als auch die innenpolitischen Ereignisse der vergangenen Woche sind sicherlich kein Ruhmesblatt in der Chronik der Bush-Administration. Auch wenn derzeit vor allem im Ausland der Eindruck vorherrschen mag, Bush und Konsorten könnten im Krieg selbst und bedingt durch den Krieg tun und lassen, was sie wollten – innerhalb der politischen Klasse der USA und selbst in den Reihen ihrer Partei ist die Regierungspolitik keineswegs unumstritten. Der achtlose Umgang der Administration mit der Legislative scheint mittlerweile selbst konservativen Republikanern Bauchschmerzen zu bereiten, für die als Abgeordnete und Senatoren eine übermäßige Machtkonzentration in der Exekutive keine sonderlich attraktive Perspektive darstellt.

Dem Weißen Haus indes scheint es nicht zu gelingen, den seit dem 11. September vorherrschenden inneren Notstand durch den Krieg noch zu verlängern. Im Gegenteil, vieles deutet auf eine zumindest teilweise Rückkehr zum konfliktreichen Normalzustand im US-Establishment hin. Auch wenn diese innenpolitische Normalität nicht unbedingt paradiesische Zustände für emanzipative und progressive Kräfte verheißt, eine Verbesserung gegenüber dem permanenten Ausnahmezustand wäre sie allemal.