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Für Kemal Altun

Tod eines Asylbewerbers. Am Samstag vor 20 Jahren, am 30. August 1983, nahm sich der Türke Kemal Altun während der Verhandlung über seinen Asylantrag das Leben. Der 23jährige Student stürzte sich aus Angst vor der drohenden Abschiebung aus dem Fenster des Gerichtssaals des Berliner Verwaltungsgerichts im 6. Stock des Gebäudes.

Zwei Jahre zuvor hatte Altun Asyl beantragt, weil er in der Türkei wegen der angeblichen Beteiligung am Mord eines Zollministers gesucht wurde. Er gehörte der demokratischen Opposition in der Türkei an. Obwohl im Juni 1983 als politisch Verfolgter anerkannt, wurde er nicht aus der bereits 13 Monate andauernden Auslieferungshaft in der JVA Moabit entlassen. Der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten hatte gegen die Anerkennung geklagt. Bereits ein Jahr zuvor hatte die Bundesregierung nach Informationen von Pro Asyl der türkischen Regierung den Inhalt der Asylakte Altuns übermittelt und angefragt, ob seine Auslieferung erwünscht sei. Die Türkei bejahte.

Die Opposition beantragte damals erfolglos die Entlassung des Bundesinnenministers Friedrich Zimmermann (CSU) und des Bundesjustizministers Hans Engelhard (FDP). Posthum sprach das Berliner Verwaltungsgericht Altun das Recht auf Asyl zu.

Nach Angaben der Antirassistischen Initiative Berlin nahmen sich allein in den vergangenen zehn Jahren 111 Menschen aus Angst vor ihrer Abschiebung das Leben oder starben bei Fluchtversuchen, 385 überlebten Suizidversuche schwer verletzt.

Obligatorische Freiwilligkeit

Riester-Rente. Der Großteil der Bevölkerung weiß immer noch nicht genau, was es mit der Erfindung des ehemaligen Bundesarbeitsministers Walter Riester (SPD) auf sich hat. Macht nichts, denn man muss sich auch nicht drum kümmern, die Rente ist schließlich freiwillig. Und fast 95 Prozent derer, die zu ihrer völlig freiwilligen Vorsorge den staatlichen Riester-Zuschuss beantragen könnten, kümmern sich auch nicht.

Das aber war nicht so geplant. Mehrere SozialpolitikerInnen aus den Reihen der SPD wollen inzwischen aus der Kür eine Pflicht machen. Denn dass irgendwann der größte Teil der Bevölkerung verarmen könnte – schließlich senkte Riester vor allem das Rentenniveau –, ist auch nicht ganz im Sinne der Genossen, schließlich täte das der Wirtschaft gar nicht gut. Die Sozialministerin Ulla Schmidt (SPD) sagte zwar nichts gegen die Vorschläge, will eine Entscheidung aber frühestens im übernächsten Jahr treffen. Bis dahin kann sich die Bevölkerung noch freiwillig kümmern.

Sozialismus ade!

PDS-Programmentwurf. Keine guten Zeiten für den Sozialismus. Während die Programmkommission der SPD bereits andeutete, ihn im neuen Parteiprogramm nicht mehr berücksichtigen zu wollen, wendet sich nun auch die PDS von ihm ab. Von staatssozialistischen Vorstellungen soll im neuen Parteiprogramm Abstand genommen werden, obschon die PDS eine antikapitalistische Partei bleiben wolle. Den neuen großen Wurf stellten die Vorsitzende der Programmkommission, Gabriele Zimmer, und der Parteivorsitzende Lothar Bisky am vergangenen Montag vor. Auf einem Parteitag Ende Oktober in Chemnitz soll das neue Programm dann verabschiedet werden.

Und tschüss!

Abwanderung. Es nimmt kein Ende mit der Endzeitstimmung in Deutschland. Diesmal hat nicht das Wetter Schuld daran, sondern die Abwanderung aus Deutschland. Das meint zumindest der baden-württembergische Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU).

Denn es sind die »hoch qualifizierten jungen Leute«, die Deutschland den Rücken kehren und nicht die Unnützen, die dem Staat sowieso nur auf der Tasche liegen.

Nach Angaben Teufels sind im Jahr 2002 ungefähr 120 000 Deutsche ausgewandert. Das sind zehn Prozent mehr als im Jahr zuvor. Der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) berichtete der Welt am Sonntag, dass 18 Prozent aller deutschen Unternehmen in den vergangenen zwei Jahren ihre Produktion ins Ausland verlegt hätten. Weitere 24 Prozent wollten diesem Trend folgen. Das scheint sie zu sein, die viel beschworene »Deutschland-Phobie«.

Aber Stoiber wäre nicht Stoiber, wenn er nicht eine originelle Lösung des Problems in petto hätte: Die Kosten für Soziales müssten weiter verringert und das so gesparte Geld in die Forschung und die Bildung gesteckt werden. Der hohe Etat für Soziales sei eine Katastrophe für Deutschland.

Auch der CDU-Politiker Heiner Geißler erklärte Anfang August, dass spätestens im Jahr 2050 »kein vernünftiger junger Mensch« mehr in Deutschland leben wolle. Er dachte dabei aber nicht an den Industriestandort Deutschland, sondern an den hohen Rentneranteil im Land. Also besser gleich auswandern, als in 50 Jahren zur geschmähten Rentnerliga zu gehören.