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Pro contra Schill

Rauswurf. Seit einigen Wochen schont raunt die Hamburger Presse, dass ein Ende der rechtspopulistischen Koalition der CDU, der Partei Rechtstaatliche Offensive (Pro) und der FDP noch vor Weihnachten möglich sei. Pünktlich zum Nikolaustag enthob nun der Bundesvorstand der Schill-Partei den Parteigründer Ronald Schill seines Postens als Landesvorsitzender in Hamburg. Der Streit, der darüber in der Partei ausbrach, könnte das Ende der Koalition einleiten. Schill war noch vor zwei Wochen mit einer großen Mehrheit als Hamburger Landesvorsitzender wieder gewählt worden. Jetzt darf er dort zwei Jahre lang keine Parteiämter übernehmen. Bloß der Ehrenvorsitz bleibt ihm noch.

Dass er ab und an mal ein bisschen Wirbel machte und dem Hamburger Bürgermeister Ole von Beust (CDU) eine homosexuelle Beziehung zu seinem Justizsenator Roger Kusch unterstellte, wird ihm kein gestandener Rechtspopulist verdenken. Jemandem, der Minderjährige abschieben lässt, Kinder, die schlecht deutsch sprechen, nicht einschulen will, Straftäter am liebsten auf ewig einsperren würde und in dessen Amtszeit der erste Hamburger Todesfall wegen der Zwangsverabreichung von Brechmitteln fiel, sollte man kleine charakterliche Schwächen verzeihen können. Mario Mettbach, der Vorsitzende der Schill-Partei und Hamburger Bausenator, sah das jedoch anders und betrieb Schills Rauswurf. Schließlich will Mettbach weiterregieren.

Derweil jährt sich der Todestag des damals 19jährigen Achidi J., der an einem Brechmitteleinsatz starb, am 12. Dezember zum zweiten Mal.

Keimzelle unter Verdacht

Kindergeld. Dass allerlei unpopuläre Gesellschaftsgruppen wie Sozial- und Arbeitslosenhilfeempfänger, Bafög-Bezieher, Rentner und Kranke den Sozialstaat ausgebeutet und Deutschland in den Ruin getrieben haben, ist ja bereits bekannt. Doch wer hätte das gedacht: Nun steht auch die Keimzelle der Gesellschaft, die Familie, unter Verdacht, sich auf Kosten der Allgemeinheit bereichert zu haben. Denn obwohl in Deutschland seit Jahren immer weniger Nachwuchs zur Welt kommt, steigt die Summe der Kindergeldzahlungen kontinuierlich an. Die Ausgaben belaufen sich auf fast 35 Milliarden Euro pro Jahr.

Der Spiegel teilte mit, dass der Bundesrechnungshof bei einzelnen Familienkassen Fehlerquoten bis 20 Prozent festgestellt habe – und das sei »alarmierend«. Vermutet wird, dass Familien ihre Sprösslinge an mehreren Orten anmelden, um die Beträge doppelt einzuheimsen oder bei der Angabe der Ausbildungszeiten schummeln.

Dagegen scheint es Kinderlosen kaum möglich zu sein, Nachwuchs zu erfinden oder Geld für ihre Haustiere zu beantragen. Diese ganz offensichtliche Benachteiligung von Männern und Frauen ohne Kinder könnte schwer wiegende Auswirkungen auf die aktuelle Rentendebatte haben. Der Vorschlag der CDU, Kinderlosen nur noch die Mindestrente zukommen zu lassen, könnte sich schnell erledigen.

Die Agenda wirkt I

Obdachlosigkeit. Vor allem die Obdachlosen dürften in nächster Zeit merken, dass es dem Standort Deutschland zusehends besser geht. Denn unter den Brücken wird es enger. Das Diakonische Werk befürchtet, dass in der Folge der rot-grünen Reformen immer mehr Menschen in Deutschland obdachlos werden könnten.

Jürgen Gohde, der Präsident des Diakonischen Werkes, forderte in der vorigen Woche, Wohnungslose bei den Reformen nicht schlechter zu stellen. Vor allem die Zusammenlegung der Arbeitslosenhilfe mit der Sozialhilfe und die schärferen Zumutungskriterien bei der Arbeitsvermittlung bereiten den Hilfsorganisationen Sorgen. »Es ist zu befürchten, dass etliche durch die Maschen fallen«, sagte Gohde.

Dabei habe sich seit dem Jahr 1995 die Zahl der Obdachlosen stetig reduziert, gibt die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAGW) an. Im Jahr 2002 betrug die Zahl der Wohnungslosen in Deutschland rund 400 000.

Die Agenda wirkt II

Krankheit. Deutschland wird sich trotz aller Schreckensmeldungen einen Rest an Sozialem bewahren. So rief der Präsident der Bundesärztekammer, Jörg-Dietrich Hoppe, in der vergangenen Woche die deutschen Ärzte auf, in den ersten Wochen des neuen Jahres die Patienten auch ohne Bargeld zu behandeln. Er bitte die Ärzte, »gnädig und vernünftig zu sein und ihre Patienten auch zu behandeln, wenn sie kein Geld für die Praxisgebühr von zehn Euro dabei haben«. Die Ärzte könnten die Gebühr ja auch noch im Nachhinein kassieren. Damit gab Hoppe ein leuchtendes Beispiel gelebten Samaritertums.

Das »Gesundheitsmodernisierungsgesetz« der rot-grünen Bundesregierung tritt am 1. Januar kommenden Jahres in Kraft. Hoppe befürchtet, dass vor allem Menschen mit geringerer Bildung und niedrigerem Einkommen darunter leiden werden. »Es besteht die Gefahr, dass diese Bürger bei Erkrankungen viel zu spät einen Arzt aufsuchen, um die Geldzahlung zu vermeiden.« Das kann ja Eiter werden.

Endlich draußen

Rolf Clemens Wagner. Das ehemalige RAF-Mitglied Rolf Clemens Wagner kommt am heutigen Mittwoch nach 24 Jahren in Haft frei. Nach Angaben des Spiegel soll der fast 60jährige vor zwei Jahren Bundespräsident Johannes Rau persönlich um seine Begnadigung gebeten haben.

Wagner wurde im Jahr 1979 nach einem Raubüberfall in Zürich festgenommen und unter anderem wegen der Beteiligung an der Entführung und Ermordung des Arbeitgeberpräsidenten Hanns-Martin Schleyer zu lebenslänglicher Haft verurteilt.

Noch im Jahr 1997 stand Wagner individuellen Gnadengesuchen kritisch gegenüber und plädierte für eine kollektive, politisch geführte Freilassungskampagne. In der Begründung zu der Initiative »Freiheit jetzt!« hieß es, der Staat habe kein Recht, »seine politischen Gegner in Gefangenschaft zu vernichten«. Derzeit sitzen vier ehemalige RAF-Mitglieder in Haft: Eva Haule, Birgit Hogefeld, Christian Klar und Brigitte Mohnhaupt.