Wüste Fahrer

Die Rallye Paris-Dakar

Beginnen wir diese Sportglosse doch mal ein wenig verschroben. Etwa so: Die fordistische Gesellschaftsformation, die ihren Namen doch der auf Henry Ford zurückgehenden industriellen Automobilproduktion verdankte, musste erst an ihre Schranken und also krisenhaft werden, damit der Kapitalismus, der doch schon auf noch beklopptere Ideen kam, auch noch diese gebären konnte.

1979 wurde nämlich eine Rallye erfunden, die von Paris (Frankreich) nach Dakar (Senegal) führte und auch so hieß. Mittlerweile wird das Unternehmen von der spanischen Firma Telefónica gesponsert, und nicht nur die Süddeutsche Zeitung wunderte sich jüngst, dass die Veranstaltung »trotz unsinniger Projekte auf weniger Kritik als früher« stößt.

Das Rasen mit Autos, in denen zunächst solche Leute wie der Sänger Johnny Halliday, der Schauspieler Claude Brasseur und die hauptberuflichen Söhne Prinz Albert und Mark Thatcher saßen, wobei letzterer seiner Mama Maggie 1982 ordentlich Sorgen bereitete, weil er drei Tage lang als verschollen galt, war zunächst eine familiäre Angelegenheit. Geschichten werden da kolportiert, die die Älteren unter uns mit Wehmut an die Kameradschaft in Rommels Afrika-Korps denken lassen. »Der Franzose Jean Ragnotti zum Beispiel hatte sein Kochgeschirr vergessen und löffelte seine Mahlzeiten aus einer umgedrehten Scheinwerfer-Schutzabdeckung«, schreibt Spiegel Online über die 1980er Rallye. »Auch Kottulinsky, gebürtiger Münchner mit schwedischem Pass, ging die Veranstaltung erfrischend unkompliziert an. Der Graf vergaß geflissentlich, dass Wüstennächte extrem frisch sein können. ›Es war ganz schön kalt, als ich im Iltis vorne quer auf den Sitzen schlief‹, erinnert sich Kottulinsky.« Und der VW Iltis, mit dem Herr Graf durch die Wüste zu rasen pflegte, war ja auch ein Nachfolger des legendären DKW Munga, der bekanntlich auch so manche schwere Zeit erlebt hatte.

Ja, so schön war das damals, aber heute ist diese Rallye etwas anderes. Seit die Deutsche Jutta Kleinschmidt 2001 für Mitsubishi gewonnen hat, ist sie Sinnbild für emanzipatorische Frauenpolitik, und ehe sie zum noch absurderen Sinnbild für modernen Behindertensport werden konnte, wurde die Zulassung eines blinden Kopiloten untersagt, den in diesem Jahr eine deutsche Firma mitschicken wollte.

Die Rallye wurde zur Werbebühne der bislang eher in der Formel 1 engagierten Autofirmen. Schließlich ist sie wesentlich länger als die Gesamtstrecke, die die Formel 1 in jedem Jahr absolviert. Außerdem sehen die Autos eher so aus wie das Gerät, das der potenzielle Kunde bei seinem Autohändler erwerben soll, als beispielsweise die Boliden der Gebrüder Schumacher. Und nicht zuletzt sind die Bilder von einsam durch die Wüste rasenden Autos deutlich ästhetischer als die der Formel-1-Wagen mit ihren erkennbar ausgereizten Werbeflächen.

Die Rallye hat also Potenzial, und dass dieses bislang medial nur auf dem Sportrechtenachverwerter Eurosport zu sehen ist, deutet an, dass es bislang noch nicht mal ansatzweise ausgeschöpft wurde.

Aber gemeinerweise wurde Jutta Kleinschmidt, nachdem sie in ihren VW Touareg einen neuen Motor eingebaut hatte, disqualifiziert und fährt nur unter Vorbehalt weiter. Das ist natürlich keine Werbung für den Sport.

bruno engelin