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»Scheiß-Iserlohn«

Jens Riewa. Wagen wir mal eine These: Was für die Briten das Königshaus ist, ist für uns Deutsche die »Tagesschau« – eine ehrwürdige, mächtige Traditionsanstalt mit strengen Ritualen, komplexen Hierarchien und einem Disziplin und Dignität ausstrahlenden Personalstamm, der sich hinter den Kulissen jedoch haufenweise bizarre Skandale, trashige Dramen und mysteriöse Sexgeschichten leistet. Ist Charles ein Mörder? Ist er bisexuell? fragen sich die Briten. Ist Jens Riewa schwul? Oder queer oder so durcheinander wie seine Ex-Kollegin Susan Stahnke? Und warum muss Eva Herman jetzt auch noch singen gehen?

Vielleicht werden wir es bald erfahren, denn es gibt wieder einen frischen Skandal, der erneut ein Schlaglicht auf die Zustände in der ansonsten hochgeschlossenen Anstalt wirft: Riewa, der kürzlich auffiel, als er der Schlagersängerin Michelle attestierte, eine »Granate im Bett« zu sein, hat sich erneut zu Wort gemeldet. Und zwar als er sich während eines Eishockeyspiels zwischen dem ERC Ingolstadt und den Iserlohn Roosters an das Mikro des Stadionsprechers drängte und ein fröhliches »Scheiß-Iserlohn« anstimmte. Nur mit Mühe sollen die Ordner im Saal daraufhin eine Massenschlägerei verhindert haben. War Riewa betrunken? War er gedopt?

Riewas Arbeitgeber, der Norddeutsche Rundfunk, jedenfalls was not amused und drohte sogar mit Entlassung, falls sich solche »Entgleisungen« wiederholen würden.

Wir aber stimmen den Schlachtgesang an: Riewa, die coole Sau von ARD-TV.

Schimmelmuseum zerstört

Dieter Roth. Kunst kann langweilen. Mal liegt es an der Kunst. Mal am Betrachter. Oft am Künstler und daran, dass Künstler manchmal erschreckend unoriginell sind. Alle malen dicke Frauen und erfinden den Barock. Alle basteln Installationen mit Playmobil-Männchen und nennen das kritische Intervention gegen die postfordistische Arbeitswelt usw.

Aber es gibt auch diese erratischen Gestalten in der Kunstgeschichte, deren Werke völlig einmalig und sensationell sind. Dieter Roth ist so ein Fall. Seit den siebziger Jahren experimentierte er mit Kunstwerken aus verderblichen Materialien. Seine Objekte sollten einem natürlichen Alterungs- und Verfallsprozess unterliegen – bis zur totalen Selbstauflösung. Diese Kunst taugt natürlich nicht als Wertanlage, weil sie nicht wertbeständig ist, sondern eine kaum zu bewältigende Herausforderung an die Sammler, Kuratoren und Restauratoren darstellt.

In den Achtzigern begeisterte sich der Hamburger Sammler Philipp Buse so sehr für die Idee der wegfaulenden Kunst, dass er ihr ein Museum einrichtete. In der ehemaligen Remise an der Alsterchaussee entstand das Schimmelmuseum. In dem Gebäude wurden lauter verderbliche Objekte aus Käse und Schokolade untergebracht, damit sie dort in aller Ruhe vor sich hingammeln konnten. Die Objekte sollten dem Verfall preisgegeben werden und langsam das ganze Gebäude in den Verfallsprozess miteinbeziehen.

Wenn ein Künstler stirbt, heißt es oft, dass »seine Kunst weiterlebt«. Beim Tod von Dieter Roth 1998 konnte man das mit Fug und Recht behaupten. Seine Gebilde lebten, sie veränderten sich stündlich, minütlich, sie stanken, wechselten die Farbe und waren die Brutstätte für kleinste Tierchen. Nachdem lange Zeit Gerüchte kursierten, was mit diesem einmaligen Kunstwerk geschehen soll, herrscht jetzt Klarheit: Das Schimmelmuseum ist in seine Einzelteile zerlegt und verpackt, das Gebäude steht kurz vor dem Abriss.

Dabei hatte sich im vergangenen Jahr sogar der International Council on Monuments and Sites für die Erhaltung des Schimmelmuseums ausgesprochen. Diese Organisation berät die Unesco in Fragen des Weltkulturerbes und hatte auf die akute Gefährdung des Schimmelmuseums aufmerksam gemacht. Weder die Hamburger noch die internationale Kunstszene hatte diese drohende Säuberungsmaßnahme sonderlich empört. Angeblich ist zwar geplant, die Schimmelobjekte in einem keimfreien Neubau unterzubringen, was aber der Idee des Künstlers völlig widerspricht, denn das Objekt soll sich ja innig mit seiner Umgebung verbinden, und am Ende sollen beide – Haus und Exponat – untergehen.

Bleibt einem also nur, unter www.schimmelmuseum.de das aufgelöste Museum noch mal virtuell zu durchwandern. Dazu legt man sich eine geöffnete Packung Harzer Käse auf den Monitor.

Das asoziale Jahr kommt

Big Brother. So schnell kann es gehen. In der letzten Ausgabe der Jungle World wurde noch bang gefragt, ob demnächst das soziale Jahr zur Pflicht wird, und schon eine Woche später steht fest: Ja, Fernsehproduzent John Endemol führt es ein – ab März auf RTL 2. Dann werden junge Menschen eingezogen, um ihren Gemeinschaftsdienst im Container zu leisten. Gut, das Pflichtjahr bei Endemol wird mit einer Million Euro für denjenigen, der zwölf lange Monate durchhält, recht anständig honoriert. Aber ist das okay? Einen Menschen für ein gesamtes Jahr in den TV-Knast stecken? Stammheim live? Und wird der Zuschauer das ertragen, ein Jahr lang die langweiligen Gespräche darüber, wie man am besten welche Muskelpartie trainiert und ob man seine Beine mit Wachs oder Creme enthaart?

Für geistreiche Dialoge soll die akademische Bildung der Kandidaten bürgen, die mit einer Art Stellenanzeige im Internet gezielt angesprochen wurden. »Sie haben momentan auf Grund der wirtschaftlich angespannten Situation in Deutschland leider keine adäquate Anstellung. (…) Sie haben mindestens einen Hochschulabschluss, gerne auch einen akademischen Grad vorzuweisen. Sind geistreich, eloquent, kultiviert …« Die Anzeige soll erfolgreich gewesen sein. Sogar einen Harvard-Absolventen habe man bereits für die fünfte Staffel von »Big Brother« gecastet, hieß es aus dem Haus Endemol. Eine Erkenntnis hat das Echtzeit-Experiment mit dem asozialen TV-Jahr also schon jetzt erbracht: Ein Studium an Elite-Unis macht weder klug, noch schützt es vor Arbeitslosigkeit.