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Der erfahrene Redakteur spürt das Unheil schon im voraus. Er weiß, dass er einmal mehr mit dem Produktionsplan im Verzug ist. Nähert sich in einem solchen Moment der CvD, ist die Mahnung so gewiss wie der Fahnenstreit bei der nächsten Antifa-Demo.

Jetzt ist eine gute Begründung für die Verzögerung gefragt. Zum Beispiel diese: »Die Bullen haben Schuld. Unser Autor war gerade im Knast wegen einer Demo. Da dauert’s halt etwas länger.« Nun kann man gemeinsam auf das Schweinesystem schimpfen und dessen mangelnden Respekt vor der Pressefreiheit beklagen.

Ob Gera oder Gonaïves, die mutigen Frauen und Männer, die die Seiten dieser Zeitung füllen, scheuen sich nicht, auch die gefährlichsten Orte der Welt zu besuchen. Da kann es immer mal zu einer Verzögerung kommen. Nicht alle Menschen, über die wir etwas berichten wollen, sind uns und unseren Anliegen freundlich gesonnen. Und da Sie, liebe Leserinnen und Leser, noch immer nicht in ausreichendem Maße abonniert haben, müssen sich unsere Korrespondenten nicht nur ohne von der Redaktion vorgestrecktes Bestechungsgeld durchschlagen. Einer musste sogar sein bestes T-Shirt verkaufen, um weiter für Sie recherchieren zu können.

Auch mit den Mitteln der modernen Technik ist es nicht immer möglich, vorübergehend verschollene Autoren sofort zu erreichen. Unzählige Telekommunikationssatelliten umkreisen die Erde, doch ein transkontinentales Telefongespräch ist noch immer Glücksache, besonders seit uns der Geschäftsführer den billigsten Anbieter verordnet hat. So kommt es, dass ein Redakteur die portugiesische Telefonansage für »dieser Anschluss ist vorübergehend nicht erreichbar« auswendig aufsagen kann, obwohl er sonst kein Wort dieser schönen Sprache kennt.

Und dennoch – irgendwie klappt es immer. Jede Woche können die Layouter am Ende doch noch mit den ersehnten Texten beglückt werden, und der CvD lächelt. Sie sind glücklich, obwohl sie wissen, dass sie bald wieder Sätze wie diesen hören werden: »Unserem Autor ist beim Schneesturm der Radiator explodiert, und mit Fausthandschuhen kann er den Text nicht schreiben.«