Grob unhöflich

Saddam Hussein vor Gericht

von thomas uwer

Die neue Botschaft des Widerstands geht so: »Ich bin Saddam Hussein, Präsident des Irak, und dies hier ist ein Theater. Der wahre Verbrecher ist George Bush.« Das sollte wirken, bei allen, die in dem Sturz des ba’athistischen Terrorregimes zuallererst einen Angriff auf die irakische Nation sahen und ein Ende der Besatzung fordern.

Es hat aber nicht gewirkt. Hussein war offenbar nicht in der Lage zu erkennen, dass der internationalen Ablehnung der US-amerikanischen Politik mit ihm als Wortführer alles andere als gedient ist. Mag man von George W. Bush auch Schlechtes halten, Saddam Hussein als Vergleichsgröße hält derzeit noch jeder stand. Vor allem aber scheint dem selbst ernannten Wiedergänger Saladins und einstigen Befreier Jerusalems in spe entgangen zu sein, wie schnell der Glanz von Despoten schwindet, stehen sie erst einmal vor Gericht. Saddam blieb nur die Wahl zwischen der Rolle des gebrochenen alten Mannes, der mit den eigenen Verbrechen nichts zu tun haben will, oder des unbelehrbaren Tyrannen, der seiner Sache die Treue hält. Er hat sich für letztere entschieden und der neuen irakischen Regierung damit ungewollt einen großen Gefallen getan.

So hat Ministerpräsident Ijad Alawi offensichtlich gutes Gespür bewiesen, als er nicht nur auf die schnelle Übergabe Saddams und elf anderer ehemaliger Staatsfunktionäre drängte, sondern entgegen den Vorstellungen des einstigen amerikanischen Zivilverwalters Paul Bremer auch unverzüglich und öffentlich ein Verfahren gegen sie einleitete. Mehr noch als die Bilder seiner Verhaftung im letzten Jahr hat die in Ausschnitten ausgestrahlte Vorführung Saddams vor einem irakischen Untersuchungsrichter deutlich gemacht, dass der grauenvolle Spuk, für den Saddam steht, definitiv zu Ende ist. Besiegelt wurde sein Ende von einem Untersuchungsrichter, der den Beschuldigten höflich ermahnte, beleidigende Äußerungen zu vermeiden. Was gestern noch Staatsideologie war, ist heute nicht mehr als eine grobe Unhöflichkeit.

So könnte bereits der Auftakt des Vorverfahrens gegen Saddam Auswirkungen in zwei Richtungen haben. Den marodierenden Milizen im einst begünstigten sunnitischen Zentralirak wird deutlich gemacht, dass sie für eine verlorene Sache kämpfen. Die lose organisierten Banden, die sich um ihre mit dem Regime Saddam Husseins verknüpften Vorrechte geprellt sehen, sollen von den islamistischen Terrorgruppen getrennt und die Jihadisten dadurch isoliert werden. Bereits einen Tag nach der Machtübergabe an die neue Regierung verurteilten führende sunnitische Geistliche erstmals Terroranschläge auf die Zivilbevölkerung und riefen dazu auf, gegen die internationalen Jihadisten vorzugehen. Je mehr Menschen sich mit der neuen Regierung zu arrangieren suchen, desto geringer wird die Unterstützung, die der Terror in der sunnitischen Region findet.

Der zweite Effekt ist nicht weniger erfreulich. Er dürfte darin liegen, dass Saddam Husseins Auftritt als Wortführer des Widerstands und Vorkämpfer der arabischen Sache beide diskreditiert hat. Weil mit einer Gestalt wie Saddam niemand zu tun haben will, der auch nur einigermaßen bei Verstand ist, dürfte die internationale Bewegung gegen die von den USA eingeleitete Demokratisierung des Irak weiter schrumpfen. Noch ein oder zwei ähnliche Auftritte, und die Irakbewegung wird auf jenen erlauchten Kreis der Gerechten beschränkt sein, der dem einzig legitimen Präsidenten Jugoslawiens die Treue hält und die Briefe eines Abu Jamal für politische Literatur hält, nur weil der Mann im Gefängnis sitzt.