Alles Schicksal

Der Islam entlässt den Menschen aus der Selbstverantwortung
und legt damit den Grundstein zur Unfreiheit.

In der Türkei wurde der Journalist Ugur Mumcu 1993 ermordet, weil er die Netzwerke der Islamisten in Europa offen legte. Der ehemalige Mufti Turan Dursun wurde 1990 umgebracht, weil er sich von der Religion abwandte und den Islam als Scharlatanerie bezeichnete. Die europäischen Medien nahmen davon kaum Notiz. Es betraf sie nicht.

Im Namen der Rechtsstaatlichkeit wurde islamischen Extremisten und Terroristen Asyl gewährt, die in ihren Herkunftsländern das System stürzen wollten. Kaplan, Sirri und Abou Jahjah und viele andere islamische Terroristen agier(t)en in Deutschland, Großbritannien oder Belgien. Wollen die europäischen Staaten einen Fuß in der Tür haben, falls diese Figuren, die sie beherbergen, an die Macht kommen sollten? Schließlich wurde auch aus dem mickrigen Asylbewerber Khomeini ein großer Machthaber. Khomeini kam nach Frankreich und blieb dort bis zu seiner Machtübernahme, nachdem er in der Türkei und in arabischen Ländern nicht hatte Fuß fassen können. Erhielten Abou Jahjah, Kaplan, Sirri und andere Terroristen aus Algerien in Europa deshalb Asyl? Oder ist das die Reaktion einer überzeugt freiheitlichen Gesellschaft?

Freiheit und Demokratie sind die Werte, mit denen diese offene liberale Gesellschaft wirbt. Zwar mussten sie nach Deutschland erst importiert werden, aber in Europa wurden sie entwickelt und erkämpft. Diese politische Ordnung, der die universellen Menschenrechte zugrunde liegen, macht den zentralen Unterschied aus zu den islamischen Gesellschaften. Der Islam erkennt nur das Recht Allahs an, deshalb wurde die Menschenrechtskonvention 1949 von den arabischen Staaten nicht unterschrieben.

Selbstverantwortung ist ein wesentlicher Bestandteil des westlichen Freiheitsbegriffs und des Bürgers, der aktiv die Gesellschaft gestaltet, statt alles von »oben« zu erwarten oder im religiösen Untertanengeist auf ein besseres Leben im Jenseits zu hoffen. Die Bestimmungen des Islam greifen bis in den Alltag ein, bis zum Ehebett. Gott weiß alles, und er hat jeden Schritt vorher bestimmt. Alles ist Schicksal!

Das ist der größte Schaden, den der Islam seinen Gläubigen zugefügt hat. Das Fragen, das Hinterfragen erübrigt sich, da alles gottgegeben ist und nichts ohne Gottes Willen geschehen kann. Deshalb ist es für Gläubige schwer zu verstehen, warum die arabischen Gesellschaften versagt haben und in Korruption und Armut versunken sind. Ist das Allahs Wille? Warum beherrschen die »Ungläubigen« die Welt und die arabischen Staaten?

Würde der Gläubige darüber nachdenken, käme er an die Grenzen des Islam. Die Indoktrination des Geistes durch die rigiden islamischen Bestimmungen verhindert die Freiheit des Denkens, und damit die Grundlage einer demokratischen Gesellschaft.

Es ist leichter, sich gegen den Westen zu wenden. Es ist leichter, den Westen, die Amerikaner oder die Juden zum verantwortlichen Feind zu erklären, als mit dem Koran zu hadern und das im Koran versprochene schöne Leben im Jenseits zu verspielen. Verantwortlich sind immer die Anderen. Das hat Tradition. Vor dem Westen war es das Osmanische Reich.

Aber auch die Intellektuellen in Europa beschuldigen sich gerne selbst. Sie kommen sich sehr edel vor, wenn sie sagen: »Mea culpa, wir sind schuld, dass die Araber leiden, weil wir Europäer sie ausgebeutet haben, ihre Länder deshalb arm und unterentwickelt geblieben sind.« Offenbar ist es zu schwer anzuerkennen, dass Araber für die Befreiung von muslimischen Osmanen die Hilfe der »Ungläubigen« gebraucht haben. Alles hat seinen Preis.

Und die eigenen Herrscher nach den westlichen Kolonialherren waren auch nicht besser. Dies anzuerkennen würde gläubige Muslime in eine tiefe Identitätskrise stürzen. Ihr Bewusstsein als Untertanen verhindert, dass sie die eigenen arabischen Despoten zur Rechenschaft ziehen, sie stürzen. Aus der eigenen Ohnmacht wird dann der Märtyrer geformt, dem Allah eine Zukunft im Jenseits verspricht.

In Deutschland meint man, an den Palästinensern schuldig geworden zu sein, weil die Nazis die Grundlage für die Gründung Israels geliefert hätten. Als ob man die Gründung Israels in einem Teil Deutschlands befürwortet hätte! Die Frage, ob Sachsen zum Beispiel Israel hätte werden können, erscheint absurd. Diese Haltung dient auch der deutschen Vergangenheitsbewältigung: Man hält es für eine Lehre der Nazizeit, sich für eine »unterdrückte Minderheit« einsetzen zu müssen.

Die Toleranten schwören auf den friedlichen Islam, sie finanzierten sogar Kopftuchausstellungen und stilisieren sich selbst zu Kennern des Islam. Glaubt man den Verschwörungstheorien einiger türkischer Intellektueller, stützen die Europäer die amtierende Regierung der Türkei, nur um die Vereinbarkeit von Islam und Demokratie zu beweisen.

Doch statt dass sich diese naiven Träume verwirklichten, macht ein Mohammed Atta von sich reden. Bin Laden verschwindet unterm Bombenhagel und richtet sogar eine Hochzeit in Afghanistan aus. In den Niederlanden wird ein Kritiker ermordet. Die Länder des Unglaubens liefern ihnen allen Komfort und sind nun auch der Schauplatz ihres Kampfes.

Die Bundesrepublik spielt bisher eher die Rolle des Zulieferers als der Zielscheibe. Trotz allen Geschreis der Politiker nach mehr Sicherheit ist hier, ist »den Deutschen« nichts passiert, abgesehen vom Export Muhammed Attas nach New York. Wenn wie in Hamburg und Berlin Abtrünnige aus den eigenen Reihen ermordet werden, sorgt das in der deutschen Gesellschaft niemanden. Es handelt sich ja nur um Migranten.

Eine Gesellschaft wie die deutsche, die sich nicht einer prinzipiellen Trennung von Religion und Staat verpflichtet, wird die Muslime in ihre Strukturen und Gremien einbinden müssen. Der Islam gibt seinen Gläubigen keine Möglichkeit, sich von dem als zwingend vorgeschriebenen Rechtssystem zu distanzieren. Viele Muslime wandern aus ihrer Gesellschaft aus. Aber sich von religiösen Gesetzen zu befreien, bedarf der Eigenverantwortung und Individualität.

In der europäischen Gesellschaft ist die Religion eine private Angelegenheit, die sowohl zur tiefen Gläubigkeit als auch zu Kritik, Spott, Verneinung Gottes führen kann. Wenn von Integration die Rede ist, dann geht es nicht um Sprachschwierigkeiten, sondern um die Fähigkeit zum selbstverantwortlichen Leben, zur Wahrnehmung der individuellen Freiheit. Die Muslime, die mit diesen Freiheiten nicht leben können, die diese Gesellschaft verachten, die Prozesse führen, um hierzulande islamisches Recht durchzusetzen, sollten sich konsequenterweise für das Leben in einem anderen Land entscheiden, in dem sie sich wohler fühlen.

Die überwiegende Mehrheit der Migranten kam aus wirtschaftlichen Gründen. Jetzt sind sie satt und wollen auch geliebt werden. Doch das ist das Letzte, was sie von Europäern bekommen können. Auch deshalb kann von Loyalität keine Rede sein. Zu keinem Europäer. Allah hat für die Ungläubigen nur die Hölle vorgesehen.

Die Haltung der Europäer zur Religion wirkt auf Muslime beängstigend. Das liegt weniger an einem niedrigen Bildungsniveau, sondern vielmehr daran, dass nur eine dünne Schicht der europäischen Gesellschaft sich ihrer eigenen Werte bewusst ist. Sie verhält sich indifferent. Das rassistische Fahrwasser bei der Kritik des terroristischen Islamismus lässt sich aber nur vermeiden, wenn die eigenen Werte bewusst vertreten werden.

Die in der Türkei geborene Arzu Toker lebt heute als Schriftstellerin und Journalistin in Köln. Sie erhielt 1997 den Abdi-Ipekçi-Preis für Frieden und Freundschaft und ist Mitglied der Initiative »Kölner Appell gegen Rassismus«.