Fast alle gegen Nazis

In dieser Woche wollen sich die sächsischen Fraktionsvorsitzenden der CDU, der SPD,
der Grünen und der PDS treffen, um ein gemeinsames Vorgehen gegen die NPD zu beraten.
von arthur leone

Wer am vergangenen Freitag einen Blick in den sächsischen Landtag werfen wollte, musste sich erst einmal an rund 150 Neonazis vorbeidrängeln, die das Foyer bevölkerten. Unter ihnen befand sich nicht nur allerlei Prominenz der NPD, wie der Parteivorsitzende Udo Voigt, sondern auch der ehemalige Vorsitzende der Republikaner, Franz Schönhuber, und der Vorsitzende der Deutschen Liga für Volk und Heimat, Harald Neubauer. Gekommen waren sie auf Einladung der NPD-Fraktion, die Veranstaltung nannte sich »Neujahrsempfang«.

In den anderen Parteien herrschte Empörung über die Entscheidung des Landtagspräsidenten, der NPD das Landtagsfoyer für ihren Empfang zu überlassen. Selbst der CDU »passte das nicht«, wie ihr Pressesprecher, Martin Kuhrau, der Jungle World versicherte. Die Veranstaltung sei aber leider zu genehmigen gewesen, weil die NPD-Fraktion noch nicht über ausreichende Räumlichkeiten verfüge.

Der NPD war es nur recht. Die Partei genießt die neuen Möglichkeiten, die der Einzug in den Dresdner Landtag mit sich bringt. Bereits einen Tag später präsentierte sie sich wieder im Landtag, diesmal stand eine Pressekonferenz mit Franz Schönhuber auf dem Plan. Auch der bekannteste rechtsextreme Liedermacher, Frank Rennicke, schaute kurz vorbei, bevor er in einem Dorfgasthof in der Nähe wieder einmal ein Konzert auf einer Parteiveranstaltung gab.

Inzwischen hat selbst die sächsische CDU erkannt, dass es ein Problem mit der NPD gibt. Hatte der damalige sächsische Ministerpräsident, Kurt Biedenkopf (CDU), im Jahr 2000 noch behauptet, »seine Sachsen« hätten sich als »völlig immun« gegenüber rechtsextremen Versuchungen erwiesen, unternahm die CDU im Dezember einen recht überraschenden Schritt. Zusammen mit ihrem Koalitionspartner, der SPD, lud sie die Fraktionsvorsitzenden, auch den der PDS, aber nicht denjenigen der NPD, zu einem Gespräch über den Umgang mit der NPD im Landtag ein. Zwar halten die Christdemokraten die PDS weiterhin in Teilen für verfassungswidrig und nutzen jede Gelegenheit, die Partei in dieselbe »extremistische« Ecke wie die Neonazis zu stellen. Plötzlich aber hat man Gesprächsbedarf.

In der PDS ist man »froh darüber, dass die CDU zu der Erkenntnis gekommen ist, dass es so nicht mehr weitergehen kann«, sagte ihr parlamentarischer Geschäftsführer, André Hahn, der Jungle World. Gegenseitige Schuldzuweisungen müssten jetzt beendet werden, um zu einem gemeinsamen Vorgehen gegen die NPD zu kommen.

Auch in einem anderen Bereich gab es einen Richtungswechsel. Im Dezember beschloss der Landtag ein Landesprogramm gegen Rechtsextremismus, das mit zwei Millionen Euro ausgestattet ist. Mit dem Geld sollen unter anderem die bisher von den Bundesprogrammen Civitas, Entimon oder Xenos geförderten Projekte die notwendige Kofinanzierung des Freistaats erhalten. Und selbst Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) fand in der Regierungserklärung zu Beginn der Legislaturperiode ungewohnt deutliche Worte über die NPD. Diese versuche, genau wie seinerzeit die NSDAP, in das parlamentarische System einzubrechen, um es zu zerstören, sagte er.

Eine wichtige Rolle für die neue Herangehensweise der CDU in Sachsen dürfte sicherlich der kleinere Koalitionspartner spielen. Das Programm gegen Rechtsextremismus ist immerhin ein Teil des Koalitionsvertrages. Von dem Abstimmungsgespräch der Fraktionvorsitzenden, das für Mittwoch dieser Woche anberaumt ist, erhoffen sich die CDU und die SPD vor allem eine Verständigung auf ein gemeinsames Vorgehen, um »die Doppelzüngigkeit der NPD-Fraktion aufzuzeigen und ihre tatsächlichen Ziele zu enttarnen«. Es stört alle Fraktionen, dass die NPD mit ihren Auftritten die öffentliche Berichterstattung über die Landtagsarbeit bisher dominiert hat.

Die PDS und die Grünen wünschen sich mehr als nur eine gemeinsame Erklärung. Sie wollen auch verhindern, dass die NPD durch lange Diskussionen aufgewertet wird. Deshalb soll auf Anträge der NPD immer nur eine der anderen Fraktionen reagieren. Dieses so genannte Bremer Modell wurde einst gegen die DVU im dortigen Landtag angewandt. Die FDP will den Nationaldemokraten inhaltlich »die Stirn zeigen«, sich aber bei Redebeiträgen der Neonazis demonstrativ abwenden.

Ob es in dem Gespräch zu klaren Vereinbarungen kommt, ist noch nicht ausgemacht. Es solle erst einmal darum gehen, den Gesprächsspielraum auszuloten, sagte der Pressesprecher der CDU der Jungle World. Und ob man wegen der Einladung der PDS bereits von einem Umdenken der sächsischen CDU sprechen kann, ist fraglich. Der sächsische Abgeordnete Lars Rohwer (CDU) beendete seine Landtagsrede zur Einführung des Programms gegen Rechtsextremismus mit den Worten, er sei stolz, ein Deutscher zu sein. Das bescherte ihm Applaus von der CDU und der NPD. Und auch der neue Generalsekretär der sächsischen Christdemokraten, Michael Kretschmer, stellte Anfang Januar, also einige Wochen nach der Verschickung der Einladungen zum Treffen der Fraktionsvorsitzenden, klar, die PDS sei keine normale demokratische Partei. Die NPD werde überhaupt erst dadurch aufgewertet, dass die PDS sich mit ihr auseinandersetze.

Besonders gern wird in diesem Zusammenhang die antifaschistische Demonstration in Pirna Ende November 2004 erwähnt. (Jungle World, 50/04) Sie war von zwei Landtagsabgeordneten der PDS angemeldet worden und stieß auf große Gegenwehr von Behörden und Kommunalpolitikern. Weil frustrierte Antifas auf ihrem Heimweg in Dresden und Leipzig noch einige Schaufensterscheiben eingeworfen hatten, sahen sich die AnmelderInnen von der PDS enormem Druck im Landtag ausgesetzt. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) wiederholte das, was bereits im Pirnaer Kreistag gefordert worden war: Die beiden PDS-Abgeordneten hätten ihre Anmeldung zurückziehen oder »sich von der Demonstration klar distanzieren« sollen. Für diese Forderung gab es im Landtag, genau wie kurz zuvor im Kreistag der Sächsischen Schweiz, Beifall von der CDU und der NPD.

Allzusehr braucht man sich also nicht darüber zu wundern, dass in Abstimmungen im Landtag bereits des Öfteren mehr Abgeordnete für die Vorschläge der NPD gestimmt haben, als sie Abgeordnete in den Landtag entsendet. Zuerst erhielt der NPD-Kandidat bei der Ministerpräsidentenwahl zwei Stimmen mehr, dann bei der Wahl des Ausländerbeauftragten im Dezember. Bei der Wahl des Jugendhilfeausschusses erhielten die Bewerber der NPD nach Angaben der Zeitung Neues Deutschland sogar acht bzw. neun zusätzliche Stimmen.

Die sächsische CDU hat sich keinesfalls von ihrer totalitarismustheoretischen Leitlinie entfernt. So zählte Lars Rohwer als Beispiele für die erfolgreiche Auseinandersetzung der sächsischen CDU mit dem Rechtsextremismus ausgerechnet das Hannah-Arendt-Institut und die Stiftung sächsische Gedenkstätten auf. Beide Institutionen sind führend in der Gleichsetzung des Nationalsozialismus mit dem Realsozialimus. Es ist durchaus verwunderlich, dass die CDU die PDS zu einem Gespräch über den Umgang mit der NPD einlädt. Folgt man der totalitarismustheoretischen Logik, müsste ein ebensolcher Kreis gegen die PDS einberufen werden, was Pressesprecher Kuhrau jedoch kategorisch verneint.