Die innere Kündigung

Corinne Maier fordert zum Nichtstun auf und äußert damit den einzig vernünftigen Kommentar zur Renaissance der Lohnarbeitsfixierung. von gottfried oy

Looking good while doing nothing – wir haben es schon immer gewusst, aber es bedurfte wohl erst einer französischen Bestsellerautorin, um eine Weisheit an die Leserin zu bringen, die in Deutschland bislang anscheinend nur hinter vorgehaltener Hand weitergegeben wurde: Die glückliche Angestellte arbeitet nicht wirklich, sie tut nur so. Während aber die übliche Bürokratenschelte wie der Witz vom schlafenden Beamten darin mündet, mehr Arbeit für alle einzufordern, also auch für die Staatsdiener, schlägt Corinne Maier in ihrem Buch »Die Entdeckung der Faulheit« eine völlig andere Richtung ein: Die situationistische Losung »Arbeitet nie!« sei wunderbar, aber nicht realisierbar gewesen. Das Buch stellt daher eine gewissermaßen abgespeckte und lebenspraktische Version dieser Devise vor: möglichst wenig zu arbeiten, ohne dabei den Job zu verlieren.

Doch bevor die Autorin die »tollsten Lügen« der Arbeitsgesellschaft – etwa die, dass Unternehmen eine »Kultur« oder gar eine »Ethik« hätten – widerlegen kann, übt sie sich in Ideologiekritik. Und das hat sogar Unterhaltungswert. Um die eigene Einstellung zur Lohnarbeit zu ändern, sei es notwendig, den Arbeitgebern ihren humanistischen Touch zu nehmen. Getreu dem Motto: »Je mehr ein Großunternehmen über etwas spricht, umso weniger ist davon vorhanden« geht es dabei um eine »Umkehrung der Zeichen«, wie es Maier nennt. Sie befreit damit das Lohnarbeitsverhältnis von seinem ideologischen Ballast, etwa der Mär, es ginge beim Arbeiten um mehr als darum, Geld zu verdienen. Ohne Umschweife benennt sie den Kern der Sache: In Zeiten, in denen die Unternehmen angesichts entwerteter Schul- und Universitätsabschlüsse, gefährdeter Renten und stockender Karrieren noch nicht einmal Erfolg garantieren können, sei die klassische Lebensplanung, die das Arbeitsverhältnis in den Mittelpunkt stellt, zumindest überarbeitungsbedürftig.

Mit Freude attackiert sie einen weit verbreiteten Karrierismus und eine völlig ungesunde Einstellung zum Broterwerb. Das »narzisstische Streben nach einem kleinen Unterschied« wirke nirgends lächerlicher als im Büro, wo Hierarchien zum Wert an sich werden. All die Plackerei, nur um sich durch ein schöneres und größeres Büro von den Kollegen abzusetzen: »Man bietet Ihnen hübsche Holzmöbel an, der unschlagbare Beweis dafür, dass das Unternehmen Sie mehr liebt als manche Ihrer weniger begünstigten Kollegen. Und das ist ja so wichtig – die Liebe, immer die Liebe …«

Auch den eigenen, mühsam antrainierten Schlüsselqualifikationen kann Maier nichts Gutes abgewinnen. Kenntnisse sind nichts, Auftreten ist alles. Mit dieser Kurzformel geht sie allerdings mit gängigen Karriereratgebern konform, auch wenn ihre Schlussfolgerung, dass sich die Ausbildung schon bald ausschließlich darauf konzentrieren werde, »wie man einen Personalchef verführt«, etwas zugespitzt ist. Wunderbar arrogant, aber durchaus zutreffend ist hingegen ihre Beschreibung der Schul- und Lehrjahre: »Nur wer als Schüler unter Beweis gestellt hat, dass er eine Reihe von Ausbildungsjahren, die Dummheit seiner Lehrer, den Herdentrieb und den Nachahmungsdrang seiner Klassenkameraden erträgt, wird an die 30 Jahre Dasein im Unternehmen, Phrasendrescherei und Arbeitsmonotonie ertragen können.«

Womit eigentlich der Punkt der Rebellion erreicht wäre. Doch davon hält die Autorin sehr wenig, wenn sie sich auch »anarchistischen Spielchen« wie Krankfeiern und Klauen am Arbeitsplatz nicht abgeneigt zeigt. Nicht nur, dass die glatte Oberfläche heutiger Diskurse kaum Angriffsfläche zum Protest biete, es sei auch schon allein deswegen Vorsicht angebracht, da die größten 68er-Rebellen heute auch die größten Unternehmer seien. Statt wie frustrierte Gewerkschafter die Trägheit der Jugend zu beklagen, gelte es, sich in subversiven Alltagspraktiken zu üben, die Corinne Maier in die zehn goldenen Regeln der inneren Kündigung gießt: sich immer bewusst machen, dass ein Arbeitsverhältnis kein Ort der Selbstentfaltung ist, sich vor »verantwortungsvollen Posten« hüten und zum eigenen Schutz vor Entlassung eifrig Netzwerke knüpfen.

Kurzum: »Die Entdeckung der Faulheit« ist ein netter, ein witziger Text und eine adäquate Antwort auf den Schund an arbeitsmarktpolitischer Ratgeberliteratur, der den Buchmarkt überschwemmt. Warum sich das nicht in einem linken Kleinverlag, sondern bei einem der Branchenführer erschienene Bändchen in den bundesdeutschen Bestsellerlisten findet? Dafür sorgt wohl schon der Distributionsapparat eines Global Players wie Random House, der den Text als »Skandalbuch« anpreist und Einblicke in die Welt derer verspricht, die »keine echte Verpflichtung gegenüber ihrer Arbeit« (Pressetext) empfinden – und das sind dem Marktforschungsinstitut Gallup zufolge immerhin 87 Prozent der bundesdeutschen Arbeitnehmer. Wer hier einen Skandal wittert, ist allerdings der Ruck-durch-Deutschland-Propaganda des Staates und der Wirtschaft aufgesessen. Dennoch ist das Kratzen am Mythos der Lohnarbeit grundsätzlich verdienstvoll, insbesondere in Zeiten von Hartz IV und vermeintlich linken Wahlalternativen, die sich »Arbeit und soziale Gerechtigkeit« nennen. Glückliche Angestellte und glückliche Arbeitslose – unite!

Corinne Maier: Die Entdeckung der Faulheit. Von der Kunst, bei der Arbeit möglichst wenig zu tun. Aus dem Französischen von Hanna van Laak. Goldmann Verlag, München 2005, 156 S., 12 Euro