Der Papst bin ich

Ein Dramolett

von thomas blum

In der Sixtinischen Kapelle. Die Wahl des neuen Papstes steht unmittelbar bevor. 115 Kardinäle stehen in Gruppen herum, einige haben Drinks in der Hand und betreiben gepflegten Small Talk. Einer hat am Taufbecken ein kleines Wettbüro eröffnet. Gelöste Stimmung.

Kardinal Ratzinger betritt mit einer mehrköpfigen bewaffneten, uniformierten Leibgarde den Saal. Er zieht einen Fuß nach, in seinem Gesicht zeigt sich ein satanisches Grinsen. Er trägt die Tiara auf dem Kopf.

Er gibt den Soldaten das Zeichen, sich im Raum zu verteilen. Die Kardinäle verstecken ihre Drinks hinter dem Rücken. Alle flüchten in eine Ecke des Saals, wo sie sich angstvoll zusammendrängen. Ratzinger nimmt das mit Genugtuung zur Kenntnis und tritt an die Kanzel.

Ratzinger (schlägt die Hacken zusammen, spricht mit einer überdrehten Fistelstimme, keifend, beinahe hysterisch kreischend): Erbärmliches Gesindel! Stillgestanden! Ich habe eine Verkündigung zu machen!

Wer will ins Dings … (er versucht sich des richtigen Begriffs zu entsinnen) … na, ins (er erinnert sich) … Himmelreich?

Einige der sich in der Ecke eng aneinanderschmiegenden Kardinäle sehen sich ratlos an, leises, nervöses Getuschel setzt ein, einige beginnen zögerlich, die Hand zu heben.

Ratzinger: Ruhe! Schnauze! Das habe ich mir gedacht! Ihr verkommene, ganz und gar verweichlichte Bande! Ab heute pfeift hier ein anderer Wind, verstanden?! Wer ins Dings, ins … na … (er besinnt sich) Himmelreich … will, hat zu dienen! Die drei Dienste (er brüllt) heißen wie? (Er blickt herausfordernd und feindselig auf das völlig eingeschüchterte Menschenknäuel und zeigt dann blitzartig mit dem Finger auf einen kleinen, dunkelhäutigen Kardinal, der sich verzweifelt hinter zwei Kollegen zu verstecken bemüht.) Du! Aufsagen, Kerl!

(Er macht eine auffordernde Geste an den Kleinen, der aufgeregt zu stottern beginnt, woraufhin Ratzinger ihn ohrfeigt.) Arbeitsdienst, Wehrdienst, Glaubensdienst!

(Er brüllt) Die Wahl fällt heute aus! Der Papst bin ich! Wer kann Gründe vorbringen, die dagegen sprechen?

Die Leibgarde entsichert auf ein beiläufiges Zeichen Ratzingers geräuschvoll die Gewehre. Einige in dem Menschenknäuel versuchen, sich hinter anderen zu verstecken. Als ein wenig Zeit verstrichen ist, versucht einer der Kardinäle zaghaft, die Hand zu heben. Andere um ihn herum sind deutlich bemüht, ihn daran zu hindern, und zerren seine Hand nach unten.

Ratzinger: Aaaah? Wer hat da was zu sagen? (Seine Stimme wird ruhig, freundlich, sanftmütig, süßlich. Er faltet die Hände.) Was kann ich für dich tun, Bruder?

Angesprochener Kardinal: Aber … die Wahl … wir müssen doch …

Ratzinger antwortet nicht, sondern macht eine dezente Handbewegung, woraufhin der aufmüpfige Kardinal, der zuerst auf die Knie fällt und dann zu flehen und zu jammern beginnt, von zwei Uniformierten gewaltsam aus dem Saal geschleift wird. Die anderen stehen betreten herum und blicken zu Boden.

Ratzinger: Noch Fragen, meine Herren Hosenscheißer? Ha! Dachte ich mir’s doch, feige Saubande! Man zünde den Scheiterhauf … äh … Ofen an! Weiße Wolken, zackzack! Dass mir hier keiner ausschert, ihr Schwuchteln! Ich werd’ euch Mores lehren, Atheistenbrut!

Er marschiert, den Fuß nachziehend, mit seiner Leibgarde aus dem Raum.

Ratzinger: Eins, zwo, drei, vier! Ein Lied!