Im Säurebad

platte buch

Wenn einem die neuen Platten von Coldplay und Oasis herzlich egal sind, Maximo Park einen kalt lässt, man sich von aktuellem Hip Hop und Techno kaum noch etwas erwartet, was macht man dann? Man greift zu den Platten des Londoner Labels Soul Jazz, auf denen andere aufregende Musik von historischem Wert entdeckt haben, die man bereitwillig mitentdeckt. Natürlich kann man Soul Jazz vorwerfen, geradezu buchhalterisch Musikgeschichte zu verwalten und zu schubladisieren, aber andererseits kann man die Arbeit von Soul Jazz auch lediglich als Angebot verstehen, als Anregung, sich mal wieder mit etwas anderem als dem Pop von heute zu beschäftigen.

»Acid – Can You Jack? Chicago Acid And Experimental House 1985-95« ist mal wieder so eine Compilation, die einen aus allem herausreißt, die einen mit etwas konfrontiert, das es heute so nicht mehr gibt und einen nostalgisch werden lässt. Hier ist sie noch zu spüren, die Roughness und utopische Urgewalt elektronischer Musik. Man taucht ein in die Säurebäder von Acid, von purer Energie, erliegt dem wahnwitzigen Geblubber der 303 und spürt die Verheißung von Aufbruch, die diese »great black music« immer noch ausstrahlt.

Man hört erneut all diese Klassiker von Armando, Phuture und DJ Pierre, die die Geschichte afroamerikanisch verarbeiten und gleichzeitig reinste Science Fiction zu sein scheinen. Früher war alles besser? Vielleicht.

andreas hartmann

Acid – Can You Jack? Chicago Acid And Experimental House 1985–95 (Soul Jazz/Indigo)