»Niemand fühlt sich bedroht«

Ein Gespräch mit der Bundestagsabgeordneten gisela piltz (fdp) über Datenschutz und biometrische Überwachungsmaßnahmen

Warum wird heute in der Öffentlichkeit so wenig über den Datenschutz und die Privatsphäre diskutiert?

Ich habe das Gefühl, dass es die Menschen nicht mehr so interessiert. Vor 20 Jahren führte die Ablehnung der Volkszählung und das BVG-Urteil zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Heute herrscht die Auffassung vor: Ich habe doch nichts zu verbergen.

Datenschützer erklären das damit, dass das Vertrauen in die Institution so groß sei.

Das Vertrauen in den Staat mag ein Teilaspekt sein. Aber auch wo privat Daten gesammelt werden, wie bei Payback-Karten, fühlt sich niemand bedroht. Ich bemerke allerdings in den letzten zwei Jahren bei meinen Besuchergruppen, dass die Wahrnehmung sich verändert. Wenn man ihnen heute erklärt, wie das Bankgeheimnis angetastet wird, ist das Bewusstsein insbesondere bei Jüngeren größer als vor zwei oder drei Jahren.

Wo sehen Sie in Fragen des Datenschutzes, des Schutzes der Rechte des Einzelnen Verbündete?

Jeder, der sich für seine Daten interessiert, ist ein Verbündeter. Etwa die Datenschutzbeauftragten. Ansonsten könnte das Thema den Bundestag stärker beschäftigen. Die Grünen haben sich immer dann auf den Datenschutz berufen, wenn die Entscheidung schon getroffen war.

Sind die angekündigten Maßnahmen zur Straf- und Terrorismusverfolgung überhaupt nützlich?

Ich glaube, dass es einige Maßnahmen gibt, mit denen man Terroristen aufspüren kann, Geldströme verfolgen kann, abhören kann. Aber die Frage ist immer, wie weit geht das, was nützt noch und was nützt nicht. RFID-Chips in biometrisch aufgerüsteten Pässen halte ich für begrenzt wirksam. Sie können einem Zollbeamten helfen, die eigene Wahrnehmung durch Technik zu unterstützen. Dass das jedoch fälschungssicher ist, kann ich nicht zwingend erkennen.

Warum dann die Eile?

Die Frage muss man Herrn Schily stellen. Ich habe das Gefühl, dass wir in vorauseilendem Gehorsam gehandelt haben, ähnlich wie bei der Passagierdatenspeicherung. Hinzu kommen wirtschaftliche Interessen. Schily möchte sich als Oberhüter der Sicherheit hinstellen. Eine Diskussion über die Tauglichkeit dieser Technik würde dieses Image ja zerstören.

Die FDP fordert, die Pläne nochmals zu überdenken. Es muss darüber nachgedacht werden, ob der Bundestag nicht generell solchen Entscheidungen, die in Brüssel getroffen werden, zustimmen sollte.

In Ihrer Partei stehen Sie also nicht alleine?

In der FDP sind die Bürgerrechte ein wichtiges Thema, dazu wurde auf dem Bundesparteitag Einiges beschlossen.

Sie könnten bei dem Thema in Konflikt mit Ihrem möglichen Koalitionspartner geraten.

Wir sind zwei unterschiedliche Parteien und werden sehen, wie wir uns einigen. Ich gebe meine Meinung zum Datenschutz nicht auf, weil ich mit der CDU in eine Koalition gehe. Ich habe gerade in Düsseldorf eine Koalition verhandelt, und im Innen- und Rechtsbereich haben wir ganz gute Kompromisse gefunden.

Wie sah das im Einzelnen aus?

Dass die DNS-Analyse nur im verfassungsrechtlichen Rahmen vorgenommen werden darf, dass der Datenschutz eine zentrale Rolle spielt.

Welche Auswirkungen haben die angestrebten Maßnahmen auf die Privatsphäre ?

Das hat jeder Einzelne in der Hand. Wenn Sie jemand anschreibt, der Ihre Adresse nicht speichern oder überhaupt haben darf, müssen Sie sich beschweren. Wenn jedes Mal 20 Leute anrufen würden und sagen würden, dass es eine Unverschämtheit ist, würden die das nicht mehr machen.

Es müsste eine Beweislastumkehr geben. Wer meine Daten haben will, muss begründen, warum er sie haben will. Nicht ich muss begründen, warum ich sie nicht herausgeben möchte.

interview: daniel kulla