Mutterglück und Wehrtechnik

Mit welchen Politikern will Angela Merkel das Land regieren? Eine Vorschau auf das »Kompetenzteam«. von stefan wirner

Will er? Oder will er nicht? Seine Berufswünsche hält der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) so geheim wie die Schnapsbrenner im Bayerischen Wald das Rezept für den Bärwurz. Keiner weiß derzeit, ob Stoiber »Superminister«, zuständig für die Ressorts Finanzen und Wirtschaft, in einer von der CDU geführten Regierung werden will oder nicht.

Manche Zeitungen behaupten, dass er auch gerne Außenminister werden würde. Vielleicht will er aber lieber Bundeskanzler werden und nicht einsehen, dass das nicht geht, weil Angela Merkel für diese Stelle vorgesehen ist. Will er überhaupt nach Berlin? Manche seiner bayerischen Landsleute möchten ihn loswerden, und zwar nicht nur seine politischen Gegner. Dem bayerischen Innenminister Günther Beckstein (CSU) werden gewisse Gefühle nachgesagt, wenn er an das Amt des Ministerpräsidenten denke. Er jedoch könnte von Merkel auch in die Bundesregierung berufen werden, um Otto Schilys Politik der bedingungslosen inneren Sicherheit fortzuführen.

Allenfalls in der Linkspartei ist augenblicklich ein vergleichbares Gerangel um Arbeitsplätze im politischen Gewerbe zu beobachten wie in der Union. Das ist neben ihrer Unfähigkeit, brutto und netto auseinanderzuhalten, derzeit das gravierendste Problem Merkels. Nebenbei bemerkt: Vielleicht meinte sie ja, dass die Nettolöhne nur noch Bruttolöhne seien, weil die demnächst höhere Mehrwertsteuer noch abzuziehen sei.

Merkel soll auch Heinrich von Pierer, den Vorstandsvorsitzenden von Siemens, gefragt haben, ob er nicht Wirtschaftsminister werden wolle. Seit Gerhard Schröder den Unternehmer Jost Stollmann im Jahr 1998 in sein Schattenkabinett aufnahm, gilt die Berufung solcher »Quereinsteiger« aus der Wirtschaft in die Politik als besonders raffinierter Winkelzug. Pierer ist ein Vertreter des Outsourcing und der Arbeitszeitverlängerung, sein Credo lautet: »Wenn wir nichts tun, werden wir Europäer zur verlängerten Werkbank der Amerikaner oder später der Chinesen.« Aber warum sollte jemand, der dem Aufsichtsrat der Bayer AG, der Hochtief AG, der Volkswagen AG und dem Präsidium des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) angehört, das Verlangen verspüren, die Stelle von Hans Eichel (SPD) anzutreten? Schulden zu verwalten und dafür vergleichsweise schlecht bezahlt zu werden?

Auch wenn der erste noch nicht benannt ist, der Name des »zweiten Superministers« (Focus) wird bereits kolportiert. Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) könnte das Ministerium für Gesundheit, Soziales und Arbeit übernehmen. Auch die begehrte Stelle im Familienministerium scheint bereits vergeben zu sein. Die niedersächsische Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) gilt als aussichtsreichste Kandidatin.

Sie ist eine Tochter des ehemaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht (CDU), hat selbst sieben Kinder und predigt die Theorie der »Work-Life-Balance«. Dem Hochschulmagazin Akad sagte sie: »Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen haben viel davon, wenn sie eine Work-Life-Balance-Philosophie in ihrem Unternehmen pflegen. Dann wachsen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gewissermaßen Flügel, sie sind loyal, leistungsbereit, motiviert, sie sind weniger krankgeschrieben.« Sie lebt den Niedersachsen ihre »Work-Life-Balance« vor, indem sie sich »im Beruf von der Arbeit zu Hause erholt und zu Hause von der Arbeit im Beruf«.

Im Alltag sieht das so aus: »Ich sitze zum Beispiel gerne mit den Kindern im Kinderzimmer und lese dabei Akten – die Kinder lieben das, wenn ich da sitze, weil sie dann eine sehr konzentrierte Spielatmosphäre haben.« Dass alles zuweilen nicht ganz so einfach zugeht, räumt sie ungeniert ein: »Ich will aber auch nicht verhehlen, dass ich tagtäglich einen eisernen Kampf ausfechte, dass insbesondere der Zeitkuchen mit den Kindern nicht angeknabbert wird.«

Damit der »Zeitkuchen«, vor allem auch der des Arbeitgebers, nicht angeknabbert wird, hat sie in ihrem Ministerium so genannte Eltern-Kind-Büros eingerichtet. Hier können Vater oder Mutter arbeiten, während die Kinder neben ihnen spielen, wahrscheinlich in »konzentrierter Spielatmosphäre«. »Und die Eltern sind von dem Zwang und Konflikt befreit, sich selbst krank zu melden, wenn die Betreuung ausfällt«, sagte Leyen der Zeitung Das Parlament. Weniger Zwang, weniger Konflikte, das hört sich prima an. Niemand braucht mehr zu Hause zu bleiben, wenn die Kindertagesstätte mal geschlossen ist. Das Kind, für Leyen ein »Humanvermögen«, zieht einfach ins Büro, so werden Beruf und Familie miteinander versöhnt.

In Niedersachsen führte sie außerdem so genannte Mehrgenerationenhäuser ein, in denen sich alle ehrenamtlich um alle kümmern; sie selbst habe zu Hause »die gewaltigen Kräfte der Hilfe zur Selbsthilfe« erlebt. Der beste Sozialstaat ist eben das Elternhaus. Höhere Ausgaben drohen mit ihr als Familienministerin jedenfalls nicht. »Familien brauchen keine Almosen, sondern können es aus eigener Kraft schaffen«, sagt sie.

Während also eine moderne Form des Mutterkreuzes in Aussicht steht, könnte auch die Umgestaltung des Heeres Fortschritte machen. Als zukünftiger Verteidigungsminister ist der brandenburgische Innenminister, Jörg Schönbohm (CDU), im Gespräch. Er könnte der erste ehemalige General in diesem Amt werden, wenn er sich seine Karrierechancen nicht mit seiner Äußerung verdorben hat, für den jüngsten Fall von Kindstötungen in Brandenburg sei auch die »erzwungene Proletarisierung« zu Zeiten der DDR verantwortlich. (Siehe auch Seite 18)

Mit Schönbohm als Verteidigungsminister dürften sich die rechtsextremen Umtriebe in der Bundeswehr nicht mehr nur auf die Kasernen beschränken. Er tritt gerne vor rechten Burschenschaften auf und ist stellvertretender Präsident des Studienzentrums Weikersheim, das von dem ehemaligen NS-Marinerichter Hans Filbinger gegründet wurde. Wenn er Minister wird, kann sich die Junge Freiheit Hoffnungen machen, die taz als Regierungsblatt abzulösen, denn mit der rechten Wochenzeitung spricht Schönbohm besonders gerne.

Das Deutschnationale wird unter Merkel so oder so nicht zu kurz kommen. Dafür bürgt auch Volker Kauder, der Generalsekretär der CDU, der als Kanzleramtsminister im Gespräch ist und schon in jungen Jahren das »Jugendkuratorium Unteilbares Deutschland« gründete. Er ist ein großer Anhänger der »Wehrtechnik«, also der Rüstungsindustrie, und brüstet sich damit, dass in seinem Wahlkreis in Baden-Württemberg mit den Firmen Heckler & Koch, Mauser und Junghans drei Unternehmen ansässig seien, die Waffen herstellten. »Ich stehe zur Wehrtechnik, weil unsere Soldaten auch deutsche Ausrüstung haben sollen.«

Das eine oder andere Panzergeschäft dürfte also drin sein. Vielleicht füllt es auch wieder die Kassen der CDU, wie damals, als Wolfgang Schäuble noch Fraktionsvorsitzender der Unionsfraktion im Bundestag war. Er könnte übrigens der neue Bundestagspräsident werden. Die Frage, wann und wie er die Parteispende in der Höhe von 100 000 Mark damals in bar entgegengenommen hat, wird er, wenn er die erste Sitzung des 16. Deutschen Bundestags leitet, sicherlich nicht noch einmal beantworten müssen.