Das Alpha-Tier

ich-ag der woche

»Ich glaube, dass man bei dieser Ausgangslage dem Erwin Huber eher zumuten kann, unter mir zu arbeiten, als umgekehrt.« Vernachlässigen wir einmal die Gründe (»Ausgangslage«), die Günther Beckstein (CSU) zu diesem Schluss kommen lassen. Die neutrale Form »man« deutet darauf hin, dass der Sprecher die Annahme verallgemeinert und mitnichten nur seine eigene Meinung zu repräsentieren glaubt. Die Natur scheint es zu sein, die ihm den Platz ganz oben in der Hierarchie zugewiesen hat, und Erwin Huber (ebenfalls CSU) einen der Plätze weiter unten.

Ohne Zweifel handelt es sich bei Günther Beckstein um ein so genanntes Alpha-Tier, das männliche Exemplar in einer Herde, welches für sich den Führungsanspruch reklamiert, weil das vorherige Alpha-Tier (Edmund Stoiber, CSU) abgetreten ist. (Stoiber möchte künftig als Minister im schwarz-roten Bundeskabinett tätig sein.) Nach vielen Jahren, in denen Beckstein sich unterordnen musste, sieht er nun seine Stunde gekommen, die Herde (die bayerische Bevölkerung) in seinem Sinne zu leiten und das Amt des Ministerpräsidenten zu übernehmen.

»Ich würde gerne in Bayern bleiben und Bayern weiter gestalten. Aber dann ehrlicherweise als Chef«, sagte er weiter im Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Alpha-Tiere zeichnen sich zumindest hinsichtlich ihres Führungsanspruchs stets durch Ehrlichkeit aus. Es läge ihnen fern, die Dinge anders darzustellen, als sie sind. »Das ist weder eine Drohung noch eine Erpressung.« Warum auch? Wer sich unterordnet, dem droht keine Gefahr, der wird entsprechend seiner Position gut behandelt und sogar beschützt. Das träfe auch auf Erwin Huber zu, vorausgesetzt, es handelte sich bei ihm um ein Beta-Tier. Weil daran jedoch Zweifel bestehen, dürfte das Machtgerangel in Bayern weiter gehen. Es soll nach dem Abschluss der Koalitionsverhandlungen in Berlin, Mitte November, entschieden werden.

regina stötzel