Politik für Altrocker

ich-ag der woche

Elf Millionen Zuschauer für die erste Sendung, 15 Millionen für die zweite: Adriano Celentano rockt weiterhin im italienischen Fernsehen und ist dabei fest davon überzeugt, eine politische Sendung zu machen.

In »Rockpolitik«, so der Name seiner Show, dreht sich alles um den Altrocker, der zum Auftakt jeder Sendung eine gute Viertelstunde über Gut und Böse in der Welt rappt, was er aber nicht gut und böse nennt, sondern »rock« oder »langsam«. Und so erfahren wir, dass Liebe auf einer Wiese unter freiem Himmel »rock« ist, Folter ist »langsam«, ein Deutscher, der Ferrari fährt, ist »rock«.

Dass so etwas für großen Rummel sorgen kann, ist kaum vorstellbar. Und dennoch löste die erste Celentano-Show einen Skandal aus, als sich Spitzenpolitiker von Regierung und Opposition dazu gezwungen sahen, öffentlich Stellung zu nehmen. Was war da passiert? Er startete, genau richtig, mit dem »falschen« Thema: Meinungsfreiheit. Dabei zitierte Celentano die Rangliste der US-Organisation Freedom House zur aktuellen Lage der Pressefreiheit, nach der Italien zusammen mit Bolivien und der Mongolei auf dem 77. Platz liegt und als nur »teilweise frei« eingestuft wird. Zu Gast in der Sendung war der Fernsehjournalist Michele Santoro, der im Jahr 2003 wegen kritischer Meinungsäußerungen auf Geheiß Berlusconis entlassen worden war. Um das ohnehin hohe Pathosniveau zu steigern – Santoro hatte am Tag vor der Sendung sein Mandat im Europa-Parlament niedergelegt, da Europa-Parlamentariern die Teilnahme an Unterhaltungssendungen untersagt ist – appellierte er für Meinungsfreiheit und Pluralismus. In der zweiten Sendung, auf die ganz Italien gewartet hat, ging es viel harmloser zu. Ehrengast war dort Roberto Benigni, der sich damit begnügte, live einen Brief an »Silviolein« zu verfassen.

Für echte Satire sorgten jedoch die Kommentare von Mitgliedern der Mitte-Rechts-Koalition: Celentanos Sendung sei der Beweis, dass das Fernsehen von der Linken kontrolliert werde.

federica matteoni