Traurige Transatlantiker

Unter Angela Merkel soll sich das deutsch-amerikanische Verhältnis verbessern. Die Berichte über angebliche Gefängnisse und Geheimflüge der CIA in Europa erschweren die Annäherung. von markus bickel

Knapp drei Jahre ist es her, dass Angela Merkel, die damalige deutsche Oppositionsführerin, am Vorabend des Irak-Krieges der US-Regierung George W. Bushs in der Washington Post ihre Solidarität versicherte. »Schröder spricht nicht für alle Deutschen«, erklärte sie damals. Doch trotz allen guten Willens der konservativen Kanzlerin steht es noch immer nicht zum Besten mit dem deutsch-amerikanischen Verhältnis.

Dem deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) gelang es bei seinem Besuch in Washington in der vergangenen Woche zwar noch zu verhindern, dass die vom US-Auslandsgeheimdienst, der Central Intelligence Agency (CIA), angeblich unterhaltenen Geheimgefängnisse für Terrorverdächtige in Europa zum alles beherrschenden Thema wurden. Aber für Dienstag dieser Woche stand bereits der Besuch der US-Außenministerin Condoleeza Rice in Deutschland auf dem Programm, und mit Spannung wurde erwartet, wie sich Merkel in der Sache verhalten würde.

Schließlich sollen von den 300 CIA-Flügen, von denen in der vorigen Woche der Londoner Guardian berichtete, allein 96 in Deutschland zwischengelandet sein. Der Spiegel spricht bereits von 437 Flügen über Deutschland. Nach Recherchen der Berliner Zeitung soll die US-Militärbasis in Frankfurt am Main in den Jahren 2002 bis 2004 das zentrale Luftdrehkreuz der CIA in Europa gewesen sein. Wohin die Maschinen weiterflogen und möglicherweise heute noch fliegen, ist unklar; Rumänien und das Kosovo werden in Zeitungsberichten immer wieder genannt.

Die Affäre könnte die deutsch-amerikanische Annäherung ins Stocken bringen, die vor allem von den Transatlantikern in der CDU wie Friedbert Pflüger oder Merkels außenpolitischem Berater, Christopher Heusgen, angestrebt wird. Doch Versöhnungsgesten aus dem deutschen Kanzleramt können über die grundlegenden Differenzen wohl nicht hinwegtäuschen, weil Kritik an der US-Terrorbekämpfung inzwischen von vielen Ländern Europas erhoben wird.

Selbst Großbritannien, der engste Verbündete der USA in Europa, hält sich nicht mehr zurück. So übergab Steinmeier Rice bereits in der vergangenen Woche einen Protestbrief ihres Londoner Kollegen Jack Straw, der im Rahmen der britischen EU-Ratspräsidentschaft in knappem Ton »Aufklärung über die Anschuldigungen, dass die CIA Terrorlager in Osteuropa unterhält«, verlangte.

Zwar versicherte der US-Außenamtssprecher Sean McCormack, man werde die »legitimen Fragen« der Europäer beantworten. Allerdings berichtete die Wahsington Post, dass Rice auf ihrer Europareise recht offensiv auftreten und die Europäer zur Zurückhaltung auffordern werde. Zudem könnte die US-Außenministerin diskret darauf verweisen, dass einige der geheimen Operationen mit dem Wissen einiger europäischer Regierungen oder Geheimdienste erfolgten.

Für das deutsch-amerikanische Verhältnis könnte dies bedeuten, dass die USA trotz der Berichte über die CIA-Flüge vor allem auf ein größeres Engagement der Bundesregierung bei der Befriedung des Irak drängen. Denn zu lange schon fühlen sie sich in ihrem »Krieg gegen den Terror« vor allem von Deutschland im Stich gelassen, dem Staat, in dem die Attentäter vom 11. September 2001 ihren Plan ausarbeiten konnten. Die Erwartungen der US-Regierung, dass sich die Bundesregierung nicht nur in Afghanistan, sondern auch im Irak stärker engagiert, bekam schon bei seinem Antrittsbesuch zu spüren.

Was Bush, Rice und nicht zuletzt US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld wollen, geht weit über die bislang nur in kleinem Rahmen, etwa in den Vereinigten Arabischen Emiraten, stattfindenden Schulungskurse deutscher Beamter für irakische Polizeioffiziere hinaus. Das berichtete zumindest die Washing­ton Post. Demnach könnte Rice’ Angebot, die Behörden in Berlin bei der Suche nach der vor zwei Wochen im Irak entführten deutschen Archäologin Susanne Osthoff zu unterstützen, Teil eines Deals sein: Da der US-Armee vor allem die unkontrollierten Grenzen zwischen dem Westirak und Syrien Probleme bereiten, wären dem Aufklärungsstab ihres Oberkommandieren, General George Casey, Informationen über die Routen von Terroristen, die aus Damaskus eingeschleust werden, äußerst nützlich.

Und die sollen von deutschen Nachrichtendiensten beschafft werden. Über welch ausgezeichnete Kontakte die Bundesregierung zur syrischen Führungsriege verfügt, brachte im November ein Bericht des Spiegel zutage. Um die Erlaubnis zum Verhör des Hamburger Islamisten Mohammed Haydar Zammar zu erhalten, der im berüchtigten Foltergefängnis Far Filastin in Damaskus einsitzt, hatten unter anderem die Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes und des Bundeskriminalamts den Chef des syrischen Militärgeheimdienstes, Assif Schaukat, im Sommer 2002 ins Kanzleramt eingeladen. Der Vorwurf, der erhoben wird, seit das Geheimverhör des früheren Vertrauten von Mohammed Atta bekannt wurde, lautet: Folter scheint der deutschen Regierung ebenso wie der US-Regierung als Mittel zum Zweck zu dienen, um Informationen über Terroristen zu erlangen.

Aus der Sicht militanter Islamisten im Irak könnte das ein Grund mehr sein, ihre Aktionen künftig verstärkt auf deutsche Ziele auszuweiten. Denn auch wenn bislang nicht geklärt ist, ob politische Motive hinter der Geiselnahme Osthoffs stecken, ist die Bundesregierung mit der Entführung ein Stück weiter in die Auseinandersetzung im Irak hineingerutscht. Die noch von der rot-grünen Regierung verfolgte Strategie, die US-Besatzungsmacht lediglich bei der Ausbildung von Sicherheitskräften zu unterstützen, um das deutsche Verhältnis zu den arabischen Nachbarstaaten nicht zu gefährden, kann von der großen Koalition wohl nicht ohne weiteres fortgeführt werden.

Wie interessegeleitet das deutsche Vorgehen in diesen Konflikten ist, zeigt ein anderer Fall. Offenbar aus Sorge darüber, die Arbeit des deutschen Uno-Sonderermittlers Detlev Mehlis, der mit der Aufklärung des Mordes am ehemaligen libanesischen Premierminister Rafik Hariri beauftragt ist, könnte dem deutschen Ansehen in der Region langfristig schaden, will die Bundesregierung den Berliner Staatsanwalt zum Jahresende abziehen.

Ob die beiden Checkpoints der libanesischen Armee an der Auffahrt zur deutschen Botschaft in Beirut dann auch abgebaut werden, ist allerdings fraglich. Nach Hinweisen, dass diplomatische Vertretungen der Bundesrepublik im arabischen Raum das Ziel von Anschlägen werden könnten, waren die Straßensperren bereits im Herbst errichtet worden.