Die Ausnahme wird Zustand

Neues Antiterrorgesetz in Frankreich

von bernhard schmid

Am Dienstag voriger Woche stimmte die französische Nationalversammlung über das neue Antiterrorgesetz ab. Dass dies kurz nach den Unruhen in den Trabantenstädten des Landes geschah, ist einem zeitlichen Zufall geschuldet: Die Abfassung der Gesetzesvorlage war bereits nach den Londoner Attentaten im Juli dieses Jahres begonnen worden.

Gleichzeitig wurden bereits die nächsten Serien von Gesetzesverschärfungen im Sicherheits- und Einwanderungsbereich angekündigt. Von den Oppositionsbänken kam so gut wie keine Kritik an dem Regierungsentwurf. Das entspricht wohl dem aktuellen politischen Klima, das seit dem Ende der Unruhen von gesellschaftlichen und politischen Reaktionen geprägt ist, die den Ruf nach autoritären Lösungen mit ethnisierenden Schuldzuweisungen an bestimmte Bevölkerungsteile kombinieren.

Die neue Antiterrorgesetzgebung, die noch vor Ende des Jahres definitiv verabschiedet sein soll, verpflichtet die Betreiber von Internetcafés und Servern in Frankreich dazu, alle Internet-Verbindungsdaten ein Jahr lang gespeichert zu halten und den Ermittlungsbehörden zur Verfügung zu stellen. Am vergangenen Wochenende haben die Justizminister der EU sich ihrerseits darauf geeinigt, dieselbe Maßnahme unionsweit für eine Mindestdauer von sechs Monaten einzuführen, die nationalen Gesetze sollen entsprechend geändert werden. Damit wird der staatlichen Datensammelwut eine enorme Menge Material zur Verfügung gestellt.

Ferner soll die Videoüberwachung auf zahlreichen öffentlichen Plätzen erheblich ausgeweitet werden. Dabei beruft man sich auf die Anschläge von London: Diese konnten durch die dort ausufernd praktizierte Video-überwachung zwar mitnichten verhindert werden, aber im Nachhinein wurden die Täter relativ schnell identifiziert. Ob dies allein die visuelle Erfassung von Millionen Menschen rechtfertigt, ist fraglich. Der polizeiliche Gewahrsam ohne richterliche Kontrolle, der einst auf 48 Stunden beschränkt war und durch die regierende Rechte auf das Doppelte ausgedehnt worden ist, wird nunmehr auf sechs Tage ausgeweitet werden. Erst nach deren Ablauf muss ein Untersuchungsrichter eingeschaltet werden.

Die nächste Serie von Verschärfungen ist für Februar geplant und wird überwiegend Einwanderer treffen. Die behördliche Kontrolle von Eheschließungen zwischen Personen mit französischer und ausländischer Staatsbürgerschaft wird ausgeweitet, ausländische Ehegatten sollen erst nach vier Jahren gemeinsamen Ehelebens – dessen Fortbestand überprüft werden kann – die französische Staatsangehörigkeit beantragen können. Sie kann heute nach Ablauf einer Sperrfrist von zwei Jahren beantragt werden. Die Bedingungen für den Nachzug von EhepartnerInnen und Kindern von Einwanderern werden verschärft. Das sind nur einige der Maßnahmen, die das französische Regierungskabinett ebenfalls am vorigen Dienstag vorgestellt hat. Innenminister Nicolas Sarkozy behauptete dazu im Senat, eine unkontrollierte Einwanderung schaffe »eine fragmentierte, zerrissene, ghettoisierte Gesellschaft«, wie ja die Vorstadtunruhen soeben auf traurige Weise illustriert hätten.

Der politische und gesellschaftliche Druck kommt derzeit in Frankreich vor allem von rechts. Die sozialdemokratische »offizielle Opposition« dagegen will einfach nicht auf die Füße fallen. Nur 30 Abgeordnete der Grünen und der KP stimmten am Dienstag gegen das neue Antiterrorgesetz.