Land ohne Tulpen

Wahlen in Kasachstan

von ute weinmann

Nirgendwo in Mittelasien herrschen so demokratische Verhältnisse wie in Kasachstan. Darin sind sich Beobachter aus dem Westen, die sich mit der Demokratie ja auskennen, einig. So konnten sie sich beruhigt zurücklehnen, als die Amtszeit des seit 1991 regierenden Präsidenten Nursultan Nazarbajew am 4. Dezember um weitere sieben Jahre verlängert wurde.

Was ist schon eine Demokratie wert ohne eine gewisse Kontinuität? Eine stabile Regierung erspart es dem Westen, in ambitionierte politische Newcomer zu investieren, die ihre Förderer am Ende womöglich doch nur enttäuschen. Drei Kandidaten und eine Kandidatin traten gegen Nazarbajew an, doch an seine Niederlage mochte nicht einmal die Opposition glauben.

Noch im vergangenen Frühjahr sah dies anders aus. Aufgeschreckt durch die Unruhen nach den Wahlen im Nachbarland Kirgisien, wollte selbst die kasachische Führung nicht ausschließen, dass auch sie gezwungen werden könnte, das Feld zu räumen. Unmittelbar nach der kirgisischen »Tulpenrevolution« erwarben die Kasachen bei den leiderprobten Nachbarn spezielle technische Ausrüstungsgegenstände für die Miliz. Man erwog gar den Einsatz von Schusswaffen, sollte sich die Bevölkerung nicht an die geltenden Spielregeln halten. Die Angst ist gewichen, doch als präventive Maßnahme gegen etwaige Massenunruhen wurden einige Tage vor den Wahlen Armeeeinheiten nach Alma-Ata, in die Hauptstadt Astana und an die südliche Grenze nach Usbekistan abkommandiert.

Ein Bündnis von Oppositionsgruppen ließ einen gemeinsamen Kandidaten im Namen der Bewegung »Für ein gerechtes Kasach­stan« antreten. Wie ein Großteil der kasachischen Opposition stammt auch Zharmahan Tujakbaj aus dem Staatsapparat. Er war Parlamentsvorsitzender und Generalstaatsanwalt, was seiner Glaubwürdigkeit nicht unbedingt zum Vorteil gereicht. Er verspricht, der Herrschaft des zutiefst korrumpierten und autoritären Clans Nazarbajews ein Ende zu bereiten, echte demokratische Veränderungen in die Wege zu leiten und den nationalen Reichtum gerechter zu verteilen.

Zu verteilen gibt es in Kasachstan eine ganze Menge. Das Land ist reich an Energieträgern wie Erdgas, Erdöl und Kohle, aber auch an anderen Rohstoffen. Beim Export beträgt der Rohstoffanteil 80 Prozent. Nicht selten sichern sich die Apparatschiki ihren persön­lichen Anteil an diesen Einnahmen. Das Kor­ruptionsniveau ist im internationalen Vergleich sehr hoch, im Index von Transparency International erreicht Kasachstan den 110. Platz, zwischen Belarus und der Ukraine, allerdings noch deutlich vor Russland.

Nazarbajew sichert sich das westliche Wohlwollen auch durch seine Außenpolitik Das Land strebt eine individuelle Partnerschaft mit der Nato an und plant den Beitritt zur WTO. Kasachstan ist vergleichsweise gering verschuldet und kann ein Anwachsen des Bruttoinlandsprodukts um etwa zehn Prozent vorweisen.

Nazarbajew erklärte unlängst, Kasachstan setze sich zum Ziel, unter die 50 wohlhabendsten Länder der Welt vorzustoßen. Er will an seinem wirtschaftsliberalen Kurs festhalten, und der IWF hebt positiv hervor, dass sich der Unterschied zwischen Arm und Reich in den vergangenen sechs Jahren enorm verringert habe. Doch von Oppositionellen, die soziales und politisches Engagement nicht aus dem Apparat heraus betreiben, erhält man weniger euphorische Aussagen. Nazarbajew kann aber auch davon profitieren, dass viele Kasachen sich mit dem Blick auf noch ärmere und noch autoritärer regierte Nachbarstaaten sagen: Es hätte auch schlimmer kommen können.