Mit der Linie 4 zur Sorbonne

Vor allem für die Marginalisierten der Vorstädte sei der CPE von Vorteil, sagt die Regierung. Doch auch Jugendliche aus den Banlieues beteiligen sich an den Protesten. von sophie feyder, paris

Die Arbeitslosigkeit der Jugendlichen in den Banlieues liegt zwischen 40 und 50 Prozent, was soll man ihnen antworten?« fragte der französische Premierminister Dominique de Ville­pin am vorletzten Sonntag während eines Interviews auf TF1. Seine Antwort ist der CPE. Der sei geschaffen für jene, die keinerlei berufliche Qualifikation vorweisen können. Azouz Begag, der Minister für Chancengleichheit, glaubt deshalb, dass die »Jugendlichen aus den Banlieues keine Angst vor dem CPE haben«.

Die französische Presse präsentiert Stimmen aus den Banlieues, die der Regierung Recht geben. »Lieber finde ich irgendwas, wo ich nicht weiß, ob man mich rausschmeißen wird oder nicht, als dass ich überhaupt nichts finde«, sagte Karim der Libération. »Selbst wenn die Probezeit zehn Jahre lang wäre, ist das kein Problem. Ich unterzeichne sofort«, zitiert Le Parisien einen gewissen Malik. Protestieren in Paris nur verwöhnte Bürgersöhne und

-töchter, die egoistisch ihre Privilegien verteidigen wollen?

Tatsächlich ist die von Begag beschworene »soziale Bruchlinie zwischen den Jugendlichen aus den Banlieues und denen aus den Städten« keine Erfindung der konservativen Regierung. Was auf dem Spiel steht, ist je nach Klassenzugehörigkeit unterschiedlich. Es ist ein Interessenkonflikt möglich zwischen diskriminierten Jugendlichen, die für einen Arbeitsplatz zu allem bereit sind, und Universitätabsolventen mit Diplom, die für die Sicherung ihrer Vorteile zu allem bereit sind.

Auch in der Alltagskultur haben intellektuelle Jugendliche aus der Mittelschicht oder der Bourgeoisie wenig mit denen gemeinsam, die in den Banlieues vom Rest der Welt abgeschnitten sind. So glaubt nicht nur die Regierung, dass die Kids aus den Vorstädten sich vorzugsweise mittels Gewalt artikulierten. Auch am Abend der Besetzung der Sorbonne wurde darüber diskutiert. »Die Typen aus den Banlieues sind heute Abend nicht da, um uns zu unterstützen. Sie sind gekommen, um die CRS zu verprügeln oder um Handys zu stehlen.« »Und du, warst du wegen der Solidaritätsdemonstration für die Aufständischen da?« »Nein.« »Na also.« Die Debatte dauerte bis spät in die Nacht, gleichgültig beobachtet von den Polizisten der CRS.

Andererseits aber fordert die nationale Koordination gegen den CPE, alle Gefangenen der Riots vom November freizulassen. Immer mehr Gymnasien und drei Universitätsinstitute aus den Banlieues (Nanterre, Saint Denis, Villetaneuse) beteiligen sich am Streik und der Blockade. Viele der Jugendlichen, von denen gesagt wird, sie seien unfähig zur politischen Artikulation, gingen unter den Bannern ihrer Gymnasien und Institute auch zur großen zentralen Demonstration am Samstag.

Und es ist fraglich, ob die »Randalierer«, die nach den Demonstrationen mit der CRS kämpften, tatsächlich vor allem aus den Ban­lieues kamen, wie die rechte französische Presse behauptet. Auch Anarchisten und andere Studierende beteiligten sich an den Auseinandersetzungen.

Die Unterschiede zwischen den Bürgerkindern und den Unterprivilegierten zu betonen, ist ein Versuch der Regierung, eine gemeinsame Bewegung der Jugend zu verhindern, deren Proteste als immer bedrohlicher empfunden werden. Durch die Verabschiedung einer Reihe von speziell auf Jugendliche bezogenen Bestimmungen, die eine Schicht prekarisierter und leicht manipulierbarer Teilzeitarbeitskräfte schaffen sollen, trägt sie jedoch zur Solidarisierung der unterschiedlichen Gruppen von Jugendlichen bei.

Denn viele Differenzen verlieren an Bedeutung angesichts einer gemeinsamen Realität der Prekarisierung der Arbeitsbedingungen. Auch wenn am Samstagabend manche Banlieusards erst einmal den Plan der U-Bahn studieren müssen. »Wo ist die Sorbonne? Ah, da? Ist sie da?« »Linie 4, Jungs.«