Im falschen Film

Die Friedensbewegung in den USA

von jörn schulz

Das Drehbuch schrieb Michael Moore. In seinem Film »Fahrenheit 9/11« stellt er Lisa Lipscomb vor, die Mutter eines im Irak getöteten Soldaten, die sich als »konservative Demokratin« bezeichnet und beim täglichen Hissen des Sternenbanners sorgsam darauf achtet, dass das Tuch nicht den Boden berührt. Gemeinsam mit ihr marschiert Moore auf das Weiße Haus zu, ein Symbol für das angestrebte Bündnis zwischen linken Aktivisten und rechten Patrioten.

Zu einer der wichtigsten Figuren der US-Friedensbewegung wurde dann Cindy Sheehan, eine konservative Katholikin, die ebenfalls Mutter eines im Irak getöteten Soldaten ist und Wert auf die Feststellung legt, dass ihr Sohn ohne sündhaften vorehelichen Sex gestorben ist. Monatelang campierte sie in der Nähe der Ranch George W. Bushs und forderte, zeitweise unterstützt von tausenden Demonstranten, dass der Präsident persönlich mit ihr sprechen möge.

Bei den Demonstrationen am Wochenende zum dritten Jahrestag des Irak-Kriegs fehlte sie, weil sie am Montag zuvor bei einer Rangelei mit Polizisten in New York verletzt worden war. In mehreren hundert Städten fanden Aktionen statt, doch war die Zahl der Demonstranten mit jeweils etwa 1 000 in New York, Washington und Los Angeles recht gering.

Das Anliegen des Mainstreams war es, »dem Kongress und dem Weißen Haus eine klare Botschaft zu übermitteln«, so eine Erklärung von United for Peace and Justice, des nach eigenen Angaben größten Verbandes der US-Friedensbewegung. Eine Fraktion der Bewegung konzentriere sich darauf, »die Demokraten zu einer kohärenten Opposition zu bewegen«, schreibt John Nichols in der linksliberalen US-Zeitung The Nation. Als »aggressive Haltung« gilt ihm bereits, »die Möglichkeit eines Amtsenthebungsverfahrens gegen Präsident Bush zu untersuchen« und die Ablehnung des Krieges »als Teil einer breiteren Kritik an der republikanischen Herrschaft« zu betrachten.

Nur wenige Gruppen unterstützen, wie U.S. Labor Against The War, die Gewerkschaftsbewegung oder andere Organisationen im Irak, die sich für die Demokratisierung und die sozialen Interessen der Bevölkerung einsetzen. Wenn bei den Demonstrationen radikalere Parolen auftauchen, dann meist im Kontext eines kruden Antiimperialismus, der häufig noch nicht einmal mit einer außerparlamentarischen Orientierung einhergeht. Todd Chretien, der in Counterpunch schreibt, dass »die Mehrheit der jungen Kämpfer« im Irak sich nicht von denen der »algerischen oder viet­namesischen Nationalen Befreiungsfront« unterscheiden würden, will mit Hilfe der Green Party und Cindy Sheehans in den Senat. Die ba’athistischen und islamistischen Terrorgruppen würden jedoch Chretien und Sheehan umgehend enthaupten, wenn sie in ihrer Reichweite auftauchten, sodass der Aufbau einer Solidaritätsbewegung schwierig werden dürfte.

Die »Gemäßigten« wiederum fordern den sofortigen oder auch schnellen Abzug der US-Truppen. Dass dies eine Eskalation im Irak fördern könnte, räumt auch das Editorial der Nation ein, doch hätten die USA »weder die Legitimität noch das Know-how«, die Lage zu verbessern. Sie sollten deshalb das Feld räumen und »andere Nationen um Hilfe bitten, in der Hoffnung, dass dies helfen wird, die Dynamik im Irak zu ändern«. Eine realpolitisch orientierte Bewegung muss jedoch ein wenig mehr bieten als ein so vages Szenario.

Insofern ist es kein Wunder, dass nur wenige der mittlerweile zwei Drittel der US-Amerikaner, die Bushs Irak-Politik kritisieren, auch auf der Straße gegen sie protestieren. Aber vielleicht schreibt ja noch jemand ein besseres Drehbuch.