Der Heuschreckenforscher

ich-ag der woche

Die Natur ist voller Geheimnisse, doch begnadete Menschen haben es verstanden, einige von ihnen zu lüften. Werner G. Seifert, dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Börse AG, verdanken wir neueste Erkenntnisse über das Wesen der Heuschrecke.

Sein Weg zum Wissen war ein schmerzvoller. »Der Himmel verdunkelt sich, und eine Wolke aus unzähligen Insekten erfüllt die Luft. Sie werden mehr und mehr, dichter und dichter, lauter und lauter. Dann kommt der Schwarm auf Sie zu, umkreist Sie, umschließt Sie, und dann hat Ihr letztes Stündlein geschlagen.« Die Angreifer, die Seifert so eindrucksvoll in seinem Buch »Invasion der Heuschrecken« schildert, verspeisten niemand geringeren als den Autor selbst. Doch statt in Selbstmitleid zu versinken, hat der wackere Kämpfer seine »Warnung an die Manager anderer Unternehmen« verfasst, aus der das manager magazin vorab Auszüge druckte.

Als die Deutsche Börse, der Seifert zu Ruhm und Glanz verholfen und die er selbst an die Börse gebracht hatte, im Herbst 2004 die London Stock Exchange ganz un­ei­gen­nützig aufkaufen wollte, kamen sie, die grausamen Heu­schrecken, die Hedge Fonds. Ein typisches Exemplar beschreibt er wie folgt: »Das Unternehmen hatte seinen Sitz in den USA, hatte vielleicht ein paar Dutzend Angestellte und legte im Auftrag seiner Investoren Gelder in Höhe von einigen Milliarden an.« Das Agieren der Heuschrecken lässt darauf schließen, dass sie sich »noch nie ernsthaft mit dem deutschen Aktiengesetz beschäftigt« haben. Was sie antreibt, ist der Wettbewerb, ihr Ziel ist der Sieg. Seiferts Kontrahent Christopher Hohn vom Hedge Fonds TCI »sammelt Geld wie andere Pokale«. Während ein seriöser Unternehmer, wie etwa Seiferts ehemaliger Kollege im Aufsichtsrat der Börse, Rolf-E. Breuer, »ganz dem Geiste der Aufklärung verhaftet« ist und den »offenen Krieg« zu vermeiden versucht, holt die Heuschrecke gleich zum »Nuklearschlag« aus. Sie stürzt die guten Unternehmer unweigerlich ins Verderben. Seifert und Breuer mussten im vorigen Jahr ihre Posten räumen.

regina stötzel