Optimiertes Super-Elend

Änderungen bei Hartz IV

von thomas binger

Wenn die Bundesregierung ankündigt, Hartz IV durch eine Gesetzesnovelle »optimieren« zu wollen, dann wird das von den Arbeitslosen zu Recht als Drohung aufgefasst. Denn »Optimieren« bedeutet nichts anderes als Sparen. Kürzungen der Leistungen und verschärfte Kontrollen sollen jährlich 1,2 Milliarden Euro einbringen. Gleichzeitig bleibt die Arbeitsförderung auf der Strecke; allein in Nordrhein-Westfalen wurden im vorigen Jahr 750 Millionen Euro für Qualifizierungsmaßnahmen und Lohnkostenzuschüsse nicht genutzt. Mit dem Fördern sind die zuständigen Behörden anscheinend überfordert.

Hartz IV hat bisher nicht die erhofften Abschreckungs- und Spareffekte erzielt. Auf beachtliche 4,96 Millionen wuchs die Zahl der Bezieher des Arbeitslosengeldes II (ALG II) Ende 2005 an. Insgesamt haben fast sieben Millionen Menschen Ansprüche auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II. Alle Kalkulationen der Bundesregierung sind damit obsolet. Mit knapp 25 Milliarden Euro sind allein die realen Kosten für das Arbeitslosengeld II ungefähr doppelt so hoch wie geplant. Und die Kommunen klagen über steigende Kosten bei der Wohnungs­förderung.

Die Arbeitslosen, die seit der Kampagne des ehemaligen Arbeitsministers Wolfgang Clement generell der »Sozialschmarotzerei« verdächtigt werden, sollen offenbar für die Hartnäckigkeit und Kreativität bei der Durchsetzung ihrer materiellen Ansprüche bestraft werden. Viele Empfänger des Arbeitslosengeldes II nutzen die gesetzlichen Spielräume. Jugendliche ziehen von zu Hause aus und gründen mit Mietkostenzuschüssen eigene Haushalte, langjährig zusammenlebende Paare trennen sich und gründen eigene Bedarfsgemeinschaften mit vollen Leistungsansprüchen. Zahlreiche neue Antragsteller, die bisher keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld hatten und den Weg zum Sozialamt scheuten, beantragen das Arbeitslosengeld II. Knapp eine Million Bezieher von Niedriglöhnen erhalten ergänzende Leistungen. »Das Sozialsystem Hartz IV läuft aus dem Ruder und entwickelt sich zu einer Grundsicherung für immer größere Teile der Bevölkerung«, befürchtet Stephan Articus, der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte­tages.

Diesem herbeifantasierten Zustand will die Bundesregierung mit aller Macht etwas entgegensetzen. Jedem Antragsteller soll demnächst auf der Stelle eine Beschäftigung oder eine Qualifizierung angeboten werden. Lehnt der zukünftige Doktorand etwa den Einsatz in der Spargelernte zum zweiten Mal ab, droht ihm wegen »fehlender Bereitschaft zur Arbeits­aufnahme« eine Kürzung der Be­züge um 60 Prozent. Wer angeblich in einer Bedarfsgemeinschaft lebt, muss künftig selbst nachweisen, dass er nicht mit einer Mitbewohnerin ins Bett geht. Ganz progressiv werden gleichgeschlechtliche Partnerschaften bei der Umkehr der Beweislast den eheähnlichen Gemeinschaften gleichgestellt. Ein automatisierter Datenabgleich etwa mit KFZ-Stellen oder Banken und Telefonanrufe bei Arbeitslosen sollen für die nötige Kontrolle sorgen.

Da all dies aber auch nicht zu den erhofften Einsparungen führen dürfte, ist mit weiteren Kürzungen zu rechnen. Im Gespräch ist bereits die Streichung der befristeten Zuschläge beim Übergang von ALG I zu ALG II. Auch könnten derzeit noch geschützte Vermögenswerte angetastet werden.

Sollten auch diese Schikanen nicht reichen, um massenhaft Menschen den Bezug von Sozialleistungen unmöglich zu machen, ist mit einer deutlichen Senkung der Regelsätze zu rechnen. Die Debatte wurde jüngst mit Vorschlägen eröffnet, das ALG II auf 225 Euro zu senken. Schließlich soll sich ja auch miserabel bezahlte Arbeit in Zukunft wieder lohnen.