Herr der Grauzone

ich-ag der woche

Hat Sie schon wieder niemand angerufen? Ist keine freundliche Stimme auf dem Anrufbeantworter zu hören, die Ihnen Komplimente macht oder Sie einlädt, ganz verrückte Dinge zu unternehmen? Dann rufen Sie sich doch selbst an – und verdienen Sie auch noch viel Geld damit!

Ein pfiffiger Münchener hat es kürzlich geschafft, weit über 100 000 Euro pro Monat allein mit Telefonieren zu verdienen. Das berichtete die Süddeutsche Zeitung in der vorigen Woche. Die Methode war keineswegs kriminell: Der Mann ersteigerte bei Ebay in rauen Mengen Telefonkarten mit Restguthaben, die zu Spottpreisen zu haben sind. Dann mietete er ein Kartentelefon, wie es ein Gewerbetreibender tun kann, stellte es auf den höchstmöglichen Tarif von 45 Cent pro Einheit ein und rief mit den billig erworbenen Telefonkarten immer wieder seinen eigenen Anrufbeantworter an. Für je 45 Cent, die er von einer Karte abtelefonierte, zahlte ihm die Telekom als Betreiber des Telefons 35 Cent zurück. Pro Anruf verdiente er vermutlich rund 30 Cent.

Der Telefonfuchs gab sich damit noch nicht zufrieden und mietete zusätzlich teure 0190- bzw. 01377-Nummern an. Statt Ratespiele zu veranstalten und unschuldigen Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen, telefonierte er wiederum selbst mit den günstigen Telefonkarten und beschleunigte somit den ganzen Prozess. Pro Minute vertelefonierte er nicht ein-, zwei-, dreimal 45 Cent, sondern gleich, sagen wir, 50 mal. 50 mal 35 Cent bekam er entsprechend pro Minute zurückgezahlt. Von dem Verdienst musste er lediglich noch die Gebühren für die gemietete Nummer abdrücken.

Bis 183 000 Euro pro Monat soll der gewiefte Herr der Grauzone auf diese Weise verdient haben. Dann sperrte die Telekom, der das Treiben ganz und gar nicht gefiel, sein Telefon. Der Mann klagte dagegen, verlor den Prozess jedoch. Die 33. Zivilkammer beurteilte sein Handeln als Vertragsbruch gegenüber der Telekom, weil gemietete Kartentelefone dazu dienen sollen, Kunden telefonieren zu lassen, und nicht, eigene Telefonkarten abzutelefonieren. Aber noch ist das Urteil nicht rechtskräftig.

regina stötzel