Barrikade im Parlament

Regierungsbildung in der Ukraine

von franziska bruder

Eine Orange wäre in dieser Zeit verfault. Vier Monate benötigten die Parteien nach den Parlamentswahlen am 26. März 2006, um eine mehrheitsfähige Koalition zu bilden. He­raus kam jedoch kein neues Bündnis der »orangenen Revolution«, das aus Nascha Ukraina, dem Block Julija Tymoschenko und der Sozialistischen Partei bestanden hatte. Diese Parteien haben drei Monate intensiv um die Posten in der neuen Regierung gestritten und keine Einigung erzielen können.

Zum Eklat kam es, als bei der Wahl zum Vorsitzenden des Ukrainischen Parlaments nicht der ursprünglich gemeinsam beschlossene Kandidat, Petro Poroschenko, ein Schwager des Präsidenten Viktor Juschtschenko, sondern Oleksander Moroz, der Vorsitzende der Sozialisten, gewählt wurde. Dem waren tagelange erbitterte, auch handgreifliche Auseinandersetzungen im Plenarsaal vorausgegangen. Abgeordnete der Partei der Regionen, deren Vorsitzender der im Winter 2004 /2005 im Kampf um das Präsidentenamt unterlegene Viktor Janukowitsch ist, hatten die Rednertribüne blockiert und eine Barrikade aus Stühlen errichtet.

Begleitet wurden die Konflikte von Protesten auf der Straße. Seit Anfang Juli errichteten Parteigänger Janukowitschs Dutzende von Zelten vor dem Parlamentsgebäude, während sich Anhänger Tymoschenkos auf dem Maydan, der Hauptverkehrsstraße Kiews, sammelten. Dieses Mal erreichte das Bündnis der »orangenen Revolution« jedoch nicht annähernd die Anziehungskraft, die es einst auf die Bevölkerung hatte. Dies liegt zum einen an der Jahreszeit: Viele, insbesondere studentische Sympathisanten, haben Sommerferien, müssen arbeiten oder sind auf den Datschas. Der wichtigere Grund ist jedoch, dass viele Menschen, die auf demokratische Reformen gehofft hatten, von den internen Zwistigkeiten der alten Koalition enttäuscht sind.

Bereits im September 2005 hatte Juscht­schenko mit einer autoritären Maßnahme die Streitigkeiten in der damaligen Koalition entschieden, indem er kurzerhand die Premierministerin Tymoschenko entließ. Zudem hatte er eine allgemein gehaltene Erklärung he­rausgegeben, die unter anderem von Nascha Ukraina und dem vorgeblichen Gegner, der Partei der Regionen, unterzeichnet wurde und in der angesichts der wirtschaftlichen Krise des Landes zur Einheit aller Ukrainer aufgerufen wurde. Die Auflösung der Frontstellung aus der Zeit der »orangenen Revolution«, in der die von Juschtschenko geführten demokratischen Reformer der von Janukowitsch repräsentierten alten Oligarchie gegenüberstanden, war damit offiziell besiegelt.

Nach der Wahl im März hatte sich Janukowitsch um eine Koalition mit Nascha Ukraina bemüht. Diese lehnte ab. Im Juli wurde eine so genannte Antikrisen-Koalition der Sozialisten, der Partei der Regionen und der Kommunisten gebildet. Janukowitsch versuchte noch einmal, die Nascha Ukraina für die Koalition zu gewinnen, die das Angebot jedoch abermals zurückwies.

Die langwierige Regierungsbildung zeigt, dass die politischen Gemeinsamkeiten in beiden Koalitionsmodellen, dem der »orangenen Revolution« wie auch dem der Antikrisenkoalition, sehr begrenzt sind. Es gibt innerhalb der Parteien und Machtblöcke sehr unterschiedliche Ansichten über die außenpolitischen Prioritäten, die Wirtschafts- und die Kulturpolitik.

In dieser Woche muss das Parlament die neue Regierung wählen, sonst ist der Präsident verpflichtet, es aufzulösen und Neuwahlen auszuschreiben. Die aber würden am politischen Kräfteverhältnis wahrscheinlich wenig ändern.