Frei nach 23 Jahren

ich-ag der woche

»Heute Abend werde ich essen gehen. Und ich werde spät nach Hause kommen. Ich fühle mich jetzt wieder wie eine Erwachsene.« Zum ersten Mal nach 23 Jahren sprach Silvia Baraldini am Dienstag der vergangenen Woche als freier Mensch mit Journalisten.

Die 59jährige hatte sich in den sechziger und siebziger Jahren in den USA für den Kampf der Schwarzen engagiert und gehörte der Gruppe »19. Mai« an, die sich an Malcolm X orientierte, sowie einem Solidaritätskomitee für inhaftierte Militante der Black Liberation Army (BLA). Baraldini wurde beschuldigt, 1979 bei der Befreiung der BLA-Aktivistin Assata Shakur mitgewirkt zu haben. Obwohl sie für keine Bluttaten verantwortlich gemacht werden konnte, wurde sie 1983 zu 43 Jahren Haft verurteilt. Seitdem verbrachte sie 16 Jahre in den US-amerikanischen Hochsicherheitstrakten von Lexington/Kentucky und Marianna/Florida, wo sie Isolation, Schlafentzug und anderen psychischen Foltermethoden unterzogen wurde.

Verschiedene italienische Regierungen versuchten mehrmals, eine Auslieferung zu erreichen. Die Anträge wurden von den USA stets mit der Begründung abgelehnt, Italien gäbe keine konkreten Garantien dafür, dass Baraldini dort die ganze Strafe abbüßen werde.

1999 wurde sie endlich nach Italien überstellt. Dort hätte sie bis 2008 den Rest ihrer Strafe im römischen Gefängnis Rebibbia absitzen müssen. Sie erkrankte aber an Brustkrebs und musste mehrmals operiert werden. 2001 wurde sie aus Gesundheitsgründen unter Hausarrest gestellt. Seitdem durfte sie tagsüber einer Arbeit nachgehen. Im Juli verfügte die Mitte-Links-Regierungskoalition von Romano Prodi einen Strafnachlass, dank dem in Italien ca. 20 000 Gefangene frei gekommen sind. Baraldini ist eine von ihnen.

federica matteoni