Allah balla balla

Über die Verletzung religiöser Gefühle: Henryk M. Broders Aufklärungsbüchlein über den Islam. Von Klaus Bittermann

Henryk M. Broder ist einer der wenigen Provokateure, die es in Deutschland noch gibt, und ich meine das als Auszeichnung. Er ist einer der wenigen verbliebenen begnadeten Polemiker, die aus dem klassischen Antrieb der Aufklärung heraus schreiben, einer der wenigen scharfsinnigen Ideologiekritiker, die ihr Handwerk verstehen, nachdem Wolfgang Pohrt verstummt und Eike Geisel verstorben ist, Christian Schultz-Gerstein sich zu Tode gesoffen und Lothar Baier Selbstmord begangen hat.

Broder ist dabei kein Provokateur um der Provokation willen. Er tut nichts weiter als nachzuweisen, welche ungeheuren Dinge sich in Gesellschaft und Politik abspielen, und das wird ihm in der Regel übel genommen. In seinem neuen Buch »Hurra, wir kapitulieren!« beschreibt er, wie der islamistische Terror in den westlichen Gesellschaften auf großes Verständnis trifft und welche kuriosen Rechtfertigungen und Entschuldigungen dabei hervorgerufen werden.

Zuletzt war es der Papst, der ins Visier der Islamisten geriet, und zwar nicht wegen einer kritischen Äußerung gegenüber der Konkurrenz, die schließlich auf dem freien Markt in denselben trüben Gewässern fischt und deshalb nicht sanft angefasst zu werden verlangen kann, sondern wegen eines Zitats über den Zusammenhang von Gewalt und Religion, den zu leugnen so doof wäre, wie es nicht mal der Papst ist.

Nach den Protesten einiger Muslimbruderschaften, die sogleich einige Eiferer aufmarschieren ließen, knickte der Papst ein und bedauerte eilfertig, »dass einige Passagen seiner Rede als Beleidigung des Empfindens gläubiger Muslime klingen konnten und dass sie in einer Weise interpretiert wurden, die keinesfalls seinen Intentionen entspricht«, wie ein Vatikan-Sprecher verlauten ließ. Der Vorgang ist symptomatisch für das defensive Verhalten gegenüber radikalen Islamisten.

Diese Diagnose stellt auch Broder und veranschaulicht sie mit den antimuslimischen Karikaturen in der dänischen Zeitung Jyllands Posten, indem er beschreibt, welche verrückten und absurden Reaktionen sie hervorgerufen haben. Man erinnert sich vielleicht an die erschütternde Harmlosigkeit der Karikaturen. Dennoch fühlte sich ein fundamentalistischer Imam in Dänemark beleidigt, »der schon mit der Feststellung aufgefallen ist, Frauen seien ›ein Instrument des Satans gegen Männer‹«.

Um die Reaktionen in den islamischen Ländern ein bisschen anzufeuern, tauchten plötzlich drei weitere Karikaturen auf, die nie in Jyllands Posten erschienen sind, aber »ein paar Zacken schärfer sind: der Prophet als pädophiler Teufel, mit Schweineohren und beim Sex mit einem Hund«. Die Propagandamaschine lief an, der Mob wurde mobilisiert mit der Folge, dass in Damaskus die dänische Botschaft angezündet, in Beirut sogar niedergebrannt wurde.

Sind diese Vorgänge schon absurd genug, zeigt Broder, wie anschließend ein Vorgang einsetzt, der noch absurder ist. Die westlichen Staaten bemühten sich um »Deeskalation«: »Der britische Außenminister Jack Straw nannte die Veröffentlichung der Karikaturen ›unnötig, unsensibel, respektlos und falsch‹; der Observer versprach: ›Erhöhte islamische Sensibilität ist etwas, dem wir in Zukunft Rechnung tragen müssen‹, der Daily Telegraph äußerte angesichts der Krawalle vor seiner Haus­tür ›Respekt vor dem Islam, dieser reinsten und abstraktesten aller monotheistischen Religionen‹, und auch die Times schrieb sich ihre Zurückhaltung schön: ›Dies ist kein Appeasement, sondern verantwortlicher Umgang mit dem Recht auf freie Rede.‹«

In Deutschland übernahm Günter Grass die Rolle des Deeskalierers und sprach von einer »bewussten und geplanten Provokation eines konservativen dänischen Blattes«, die gewalttätigen Ausschreitungen seien hingegen eine »fundamentalistische Antwort auf eine fundamentalistische Tat«. Grass erinnerten die Karikaturen gar »an die berühmte Zeitung der Nazizeit, den Stürmer. Dort wurden antisemitische Karikaturen desselben Stils veröffentlicht.« Da Grass bei der SS gewesen ist, sollte man meinen, er wüsste, wovon er spricht.

Aber dass es sich um Stürmer-Karikaturen handelt, ist großer Käse, der allerdings nicht groß genug ist, um nicht vom Fraktionschef der Grünen, Fritz Kuhn, wiedergekäut zu werden. Und so ging es durch die Reihen sämtlicher Parteien, die sich selbst ermahnten, nur »keinen Beitrag zur Eskalation« zu leisten, ganz im Gegenteil müsse man »den Dialog mit dem Islam verstärken«, und Gerhard Schröder rief die Europäer zu »größerem Verständnis für die Gefühle der Muslime« auf.

Diese Probleme haben die Islamisten nicht. Quasi als Rache wurde in Tehe­ran, wie der Economist berichtete, unter der Schirmherrschaft von Mahmoud Ahmadinejad eine Ausstellung mit Karikaturen über den Holocaust eröffnet. Ahmadinejad lud dazu auch Angela Merkel ein und bedauerte in einem Brief, dass über den Besiegten des Zweiten Weltkriegs immer noch »schwarze Wolken der Erniedrigung und der Scham« hingen, während doch Israel »der größte Feind der Menschheit« sei.

Broder nimmt seine Leser unter Dauerbeschuss. Er reiht ein Zitat ans andere, wobei eins ungeheuerlicher und abstruser ist als das nächste. Man muss sie nicht erklären oder analysieren. Sie sprechen für sich. Broder ist ein großer Zitatensammler, der seine Schätze genüsslich ausbreitet und der besessen davon ist, sie in möglichst großer Ausführlichkeit zu dokumentieren, um sie der Nachwelt zu überliefern. Er hat sich damit große Verdienste erworben.

Die Aneinanderreihung merkwürdiger Aussagen würde in dieser Überdosis jedoch schnell ihren Reiz verlieren, wenn Broder sie nicht glossieren und ironisch kommentieren würde, denn das ist die einzige Möglichkeit, mit dem Material angemessen umzugehen. Und sie erhöht ungemein die Lust am Text, denn man kommt nicht nur aus dem Staunen, sondern auch aus dem Schmunzeln kaum mehr heraus. Ussama bin Laden hatte die Auslieferung der dänischen Zeichner verlangt, um sie vor ein islamisches Gericht zu stellen. Eine großartige Idee. Broder schreibt: »Dass sie (die Karikaturisten) ihm nicht trauen und das Angebot nicht annehmen, beweist wieder einmal, wie wenig Respekt die Vertreter des dekadenten Westens für die berechtigten Anliegen der gekränkten Moslems empfinden.«

Bei aller Ironie treibt Broder der Furor um, dass eine inhumane Religion wie der Islam und seine fanatischen Verfechter unter dem Label Ursachenforschung mit großem Verständnis rechnen können. Dabei ginge es darum, unmissverständlich klar zu machen, dass im Unterschied zu einer islamistischen Diktatur in den westlichen Demokratien Meinungsfreiheit herrscht (auch wenn manchmal kaum Gebrauch davon gemacht wird) und eine Regierung nicht zuständig ist für die Karikaturen, die in einer Zeitung erscheinen.

Dafür muss man keinen Krieg anzetteln, es genügt ein klarer Standpunkt, mit dem man zu verstehen gibt, dass man für die angeblich verletzten religiösen Gefühle der Muslime nicht zuständig ist, weil ein Gefühl keine Kategorie ist, mit der man sich politisch vernünftig auseinandersetzen kann.

Gut, dass es einen Broder gibt, der den Eiertanz der Politiker und Intellektuellen gegen­über dem islamischen Faschismus karikiert und sich über die Uneindeutigkeit ihrer Haltung lustig macht. Mag sein, dass er dabei ab und zu danebenhaut, aber er ist wenigstens unterhaltsam.

Henryk M. Broder: Hurra, wir kapitulieren! Von der Lust am Einknicken. jws Verlag, Berlin 2006, 168 S., 16 Euro