Das Ressentiment triumphiert

Parlamentswahl in Österreich

von heribert schiedel

Bei aller Euphorie über das Ende der Ära von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel – eine Wen­de stellt das Ergebnis nicht dar. Nach wie vor verfügen Rechtsextreme und Konservative über eine solide Mehrheit. Dennoch ist eine Neuauflage der Koalition aus ÖVP und FPÖ/BZÖ eher unwahrscheinlich. Die SPÖ wurde am 1. Oktober bei der Nationalratswahl in Österreich trotz leichter Verluste mit 35 Prozent stärkste Partei.

Die gute Nachricht zuerst: Die konservative ÖVP stürzte um acht Prozent auf 34 Prozent ab. Es gelang ihr nicht, mittels Persönlichkeits- und Wohlfühlwahlkampf von der sozialen und bildungspolitischen Misere abzulenken. Auch der Versuch, einen Bankenskandal im sozialdemokratischen Gewerkschafts­milieu auszuschlachten, verpuffte wirkungslos. Offenbar schadete der ÖVP auch, dass ihr in Umfragen ein sicherer Sieg vorausgesagt worden war: Mehr als 200 000 Menschen, die sie im Jahr 2002 gewählt hatten, blieben diesmal zuhause. Mit gerade mal 74 Prozent erreichte die Wahlbeteiligung einen historischen Tiefstand.

Nun die schlechte Nachricht: Das im April 2005 von der FPÖ abgespaltene Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) hat auch ohne das angestrebte Kärntner Direktmandat mit etwas über vier Prozent den Einzug in den Nationalrat geschafft. Es zeigte sich jedoch, dass die Truppe um Landeshauptmann Jörg Haider über den Status einer Regionalpartei nicht hinauskam. In Wien lag das BZÖ mit 1,86 Prozent knapp über der Wahrnehmungsgrenze.

Immerhin elf Prozent wählten das rechts­extreme Original, die burschenschaftlich dominierte FPÖ. Sie hat ihre Hochburg – neben braunen Winkeln in manchen ländlichen Re­gionen – in den Wiener Gemeindebauten. In diesen Trutzburgen des inländischen Lumpenproletariats kam die FPÖ auf mehr als 20 Prozent.

In ihrer Hetze gegen (muslimische) Migranten und Migrantinnen waren die zwei »freiheitlichen« Parteien kaum voneinander zu unterscheiden. Eine fremdenfeind­liche Überzeugung war für die Wähler beider Parteien ausschlaggebend. Und wie die vergangene war auch die gegenwärtige rassistische Wahlkampagne begleitet von einer deutlichen Zunahme rechtsextremistischer Übergriffe. Tatsächlich schweigen nun jene, die ansonsten immer jede massenhafte Wahlentscheidung für die FPÖ verharmlosend mit »Protestverhalten« erklärten. Jedoch ist überall in der Öffentlichkeit erneut zu hören, dass die mehr als eine halbe Million FPÖ-Wähler – darunter wie stets im Falle rechtsextremer Parteien überdurchschnittlich viele Männer – nicht »ausgegrenzt« werden dürften. Dabei wird übersehen, dass diese »Ausgrenzung« eine selbst gewählte ist. Die freiheitliche Inszenierung lebt vom Gefühl, immer und überall zu kurz gekommen zu sein. Das Ressentiment verbindet die Anhänger mit der Spitze der FPÖ, die auch nach fünfjähriger Regierungsbeteiligung so tut, als gehöre sie nicht zum politischen Establishment.

Aber weder das Versprechen der FPÖ, nach der Wahl in die Opposition zu gehen, noch die Zusage der ÖVP, ganz sicher nicht mit den Rechtsextremen zu koalieren, spricht gegen eine Fortsetzung der konservativ-freiheitlichen Regierungsallianz. Nur die in der Auseinander­setzung zwischen FPÖ und BZÖ entstandene schlechte Stimmung steht dem im Wege.

Wie auch immer die Koalitionsverhandlungen ausgehen mögen, Schüssel wird einer künf­tigen Regierung wohl nicht mehr angehören. Auch hat er seinen Nimbus als »Drachentöter« verloren: Die rechtsextremen Parteien haben durch ihre Regierungsbeteiligung nicht an Attraktivität verloren. Zumindest das könnten die europäischen Konservativen vom österreichischen Beispiel lernen.