Smarte Sanktionen

63 deutsche Firmen sollen den Irak im Rahmen des Programms »Oil for Food« geschmiert haben. Die Wirtschaft und die Regierung fanden die Sanktionen ohnehin zu streng. von jörg kronauer

Siemens, Daimler-Chrysler, Linde, Fresenius, Henkel, Degussa – ein Untersuchungsbericht der Vereinten Nationen über Schmiergeldzahlungen an den Irak zur Zeit Saddam Husseins zählt prominente deutsche Konzerne auf. Nicht um die gesamte Wirtschaftskorruption in dem mittelöst­lichen Land geht es darin, sondern nur um einen Ausschnitt, um ungesetzliche Zahlungen, die mit dem Programm »Oil for Food« der Uno in Zusammenhang standen.

Das von 1996 bis 2003 laufende Programm, gewöhnlich als Akt der Humanität gegenüber der Zivilbevölkerung gepriesen, bot eine Chance für lukrative Geschäfte. Insgesamt 64 Milliarden US-Dollar zahlte der Irak im Rahmen von »Oil for Food« an mehr als 4 500 ausländische Unternehmen. Rund die Hälfte der Firmen soll sich mit Schmiergeldern gegen die Konkurrenz durchgesetzt haben, darunter 63 deutsche Unternehmen, heißt es im Bericht der Uno.

Bereits im Oktober 2005 wurde das Papier veröffentlicht, seitdem hat eine Reihe von Ermittlungsverfahren gegen beschuldigte Firmen begonnen. Zum Teil geht es um erhebliche Summen. B. Braun Melsungen, das Unternehmen des Präsidenten des Deutschen Industrie- und Handels­kammertags, soll inklusive französischer und malaysischer Tochtergesellschaften 3,26 Millionen Dollar Schmiergeld an Angehörige des irakischen Regimes gezahlt haben. Bei mehreren Auslandstochterfirmen von Siemens ist von insgesamt 1,6 Mil­lionen Dollar die Rede.

Zahlreiche deutsche Unternehmen, die bis zum zweiten Golfkrieg gute Geschäfte mit dem Erdölstaat unterhalten hatten, befanden sich in einer schwierigen Situa­tion, nachdem 1991 die Wirtschaftssanktio­nen verhängt worden waren. »Wirtschaftsvertreter der westlichen Länder statten dem Irak häufige Besuche ab, um für den Fall der Embargoaufhebung sofort mit ihren Geschäften wieder beginnen zu können«, berichtete die PDS im Jahr 1995 in einer Anfrage an die Bundesregierung. Mit »Oil for Food« bot sich schon ein Jahr später eine Gelegenheit, die Ausfuhren wieder aufzunehmen. Begierig wurde die Chance ergriffen, und neben der Zahlung von Schmiergeld machten die exportierenden Firmen auch politisch Druck. Die deutsche Wirtschaft befürworte die so genannten smart sanctions, die das Embargo auf Maß­nahmen gegen Vertreter des Regimes und auf das Verbot von Waffenlieferungen fokussierten, teilte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie im Jahr 2001 mit. So könnten 90 Prozent der Ausfuhrverträge problemlos genehmigt werden.

Die Bundesregierung hatte die Sache gut vorbereitet. »Mit zwei Konferenzen in Bonn 1999 und Berlin 2000« habe die rot-grüne Bundesregierung »die Initiative zu zielgerichteteren Sanktionen, zu sog. ›smart sanctions‹« ergriffen, berichtete der Staats­minister im Auswärtigen Amt, Ludger Volmer (Grü­ne), im März 2001. Tatsächlich wurden die Sanktio­nen eingeschränkt, und prompt wuchsen die deutschen Exporte. Zudem kümmerte sich die Bundesregierung um den Irak-Sanktionsausschuss der Vereinten Nationen. Dem Gremium, das die Strafmaßnahmen überwachte und damit praktisch den gesamten irakischen Außenhandel kontrollierte, stand Deutschland in den Jahren 1995/1996 und 2003 vor. Teilweise fand die Korruption im Rahmen des Programms »Oil for Food« offenbar unter deutscher Oberaufsicht statt. »In den 18 Monaten vor dem Irak-Krieg machten UN-Beamte den Ausschuss auf 70 Verträge auf­merksam, bei denen die Preise möglicherweise zu hoch angesetzt waren«, berichtete Ramesh Thakur von der United Nations University bereits im Dezember 2004 in der taz. Der Vorsitz des Ausschusses übersah jedoch die typische Methode der Schmiergeldzahlung. Kein einziger dieser Verträge – darunter wohl auch einige mit deutschen Firmen – wurde annulliert.