Italiener wollen Saddam lebend

In Italien ist die Empörung über die Hinrichtung Saddam Husseins groß. Ein liberaler Politiker befindet sich im Hungerstreik, und die Regierung protestiert vor der UN. von catrin dingler, rom

Saddam Hussein ist tot. Und Marco Pannella geht es auch nicht gut. Als nach den Weihnachtsfeiertagen bekannt wurde, dass die Hinrichtung des ehemaligen irakischen Präsidenten unmittelbar bevorstehe, verkündete der alte Herr der liberalen Partei Radicali Italiani, dass er ab sofort zum Zeichen des Protests gegen die Exekution jede Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme verweigern würde. »Ist das Töten eines Mörders nicht auch Mord?« fragte er. Nach der Vollstreckung des Urteils durch die irakische Regierung gab Pannella bekannt, er werde seinen Protest in dieser extremen Form so lange fortsetzen, bis sich die italienische Regierung bei den Vereinten Nationen für ein weltweites Moratorium gegen die Todesstrafe einsetze. Seine bizarren Protestformen sind nicht neu. Und in der Sache selbst sind sich diesmal alle einig.

Staatspräsident Giorgio Napolitano sprach sich »im Namen des italienischen Volkes« gegen die Todesstrafe aus. Ministerpräsident Romano Prodi kritisierte deutlicher als andere seiner Amtskollegen die Entscheidung der irakischen Regierung. Auch die Parteien, die den Krieg im Irak unterstützt hatten, verurteilten nahezu einhellig die Hinrichtung Husseins. Silvio Ber­lusconi sprach von einem »historischen und politischen Fehler«.

Also ließ Italien gleich zu Jahresbeginn seinen UN-Botschafter Marcello Spatafora mitteilen, dass man die Absicht habe, der Generalversammlung der Uno eine Resolution zur Ächtung der Todesstrafe vorzulegen. Daraufhin fing Pannella an, wieder Flüssigkeit zu sich zu nehmen. Allerdings hat er in einer Radioansprache, die bereits als sein »politisches Testament« gilt, erklärt, den Hungerstreik trotz aller gesundheitlichen Risiken unter ständiger ärztlicher Beobachtung in einem römischen Krankenhaus fortsetzen zu wollen. Denn noch kann er sich nicht darauf verlassen, dass der italienische Vorschlag wirklich zur Abstimmung kommen wird. Im Außenministerium zeigt man sich zurückhaltend. Die Ankündigung, zunächst eine verbindliche Erklärung aller Staaten der EU einholen zu wollen, deutet darauf hin, dass man Zeit gewinnen und sich Möglichkeiten offen halten will.

Die mit den Radicali kooperierende Assoziation »Hände weg von Kain«, die sich seit Jahren für die weltweite Abschaffung der Todesstrafe einsetzt, drängt deshalb darauf, die Initiative im Alleingang voranzutreiben. Nach Einschätzung ihres Generalsekretärs Sergio D’Elia könne man sicher davon ausgehen, dass sich in der Vollversammlung eine Mehrheit für das Moratorium ausspreche. Der Präsident von Amnesty International Italien, Paolo Pobbiati, ist skeptischer. Bereits in den Jahren 1994 und 1999 seien die italienischen Versuche, ein Moratorium zu erwirken, gescheitert. Anstatt auf ein Vorhaben mit rein propagandistischem Effekt zu beharren, sei es sinnvoller, auf die Einhaltung bereits existierender internationaler Normen zu drängen.

Die Vehemenz der italienischen Kritik hat indessen den irakischen Ministerpräsidenten Al Maliki dazu veranlasst, das Land an die eigene Vergangenheit zu erinnern. Mussolini sei damals »nur für eine Minute« der Prozess gemacht worden, ehe man ihn erschossen habe. War Mussolini wie Saddam? An dieser Frage brach die kurzfristig demonstrierte Einheit der Parteien auseinander. Die Rechte nutzte die Gelegenheit und forderte die Linke auf, sich für die »Gräueltat« der Partisanen zu entschuldigen. Infolge eines umstrittenen Editorials der Tageszeitung il manifesto diskutiert man dort nun tatsächlich darüber, ob man Mussolinis Hinrichtung als »verachtenswert« bezeichnen muss, kann oder darf.

Wären da nicht die täglichen Pressemitteilungen über Pannellas Gesundheitszustand, wäre die Forderung nach dem Moratorium wohl bereits wieder in Vergessenheit geraten.