Die Kameradenflut

Der Beitritt Rumäniens und Bulgariens brachte auch neue ­rechtsextreme Abgeordnete ins europäische Parlament. Die Ultranationalisten schließen sich nun zu einer Fraktion zusammen. von korbinian frenzel, brüssel

Für die Enkelin des italienischen Diktators Mussolini und den Vorsitzenden der französischen Front National geht in dieser Woche die Zeit zu Ende, während der sie im EU-Parlament nichts zu melden hatten. Bisher fristeten Alessandra Mussolini und Jean-Marie Le Pen gemeinsam mit ihren eigenen Parteikollegen, den Gesinnungsgenossen vom Vlaams Belang aus Belgien und den Vertretern der österreichischen FPÖ das Schicksal fraktionsloser Abgeordneter. Niemand wollte mit den Rechtsaußen der europäischen Politik zusammenarbeiten. Mit dem Beitritt Rumäniens und Bulgariens zur Europäischen Union wächst der Kreis der ausländerfeindlichen, antisemitischen und nationalistischen Abgeordneten im Straßburger Plenarsaal auf mehr als 19 Abgeordnete, die zudem aus mehr als fünf verschiedenen Mitgliedstaaten kom­men – beides formale Voraussetzungen, um eine Fraktion bilden zu können.

»Identität-Souveränität-Transparenz« (IST) heißt der neue Club, der seit Montag die westeuropäische Rechte – inklusive eines Abgeordneten der britischen Anti-EU-Partei UKIP – mit dem ultra­natio­na­lis­tischen bulgarischen Bündnis »Angriff« (Ataka) und der Partei Großrumänien (PRM) vereint. Programmatisch haben sie sich auf den »Kampf gegen Massenzuwanderung«, die Ablehnung des EU-Beitrittes der Türkei und die »Wiederbelebung der EU-Verfassungsleiche« geeinigt.

Neben den formalen Kriterien, die sie erfüllt hätten, hätten die Rechtsextremen damit auch den inhaltlichen Minimalkonsens hergestellt, der als Voraussetzung zur Anerkennung als Fraktion gelte, sagte ein Parlaments­sprecher in der vergangenen Woche. Somit stehen ihnen nun erstmals wichtige parlamentarische Rechte zu: mehr Redezeit im Plenum, Sitze in Ausschüssen und vor allem zusätzliches Geld für Mitarbeiter und Kampagnen.

Größere Aussagekraft als die knappe offizielle Programmatik der rechten Fraktion haben die Äußerungen ihrer Politiker. Der designierte Vorsitzende der Fraktion, der Franzose Bruno Gollnisch, steht derzeit in Frankreich wegen Leugnung des Holocaust vor Gericht. Dasselbe Parlament, das den Politiker der Front National nun im Kreise der Fraktionsvorsitzenden akzeptieren muss, hat Ende des vergangenen Jahres seine Immunität wegen der gegen ihn gerichteten Vorwürfe aufgehoben.

Im Vergleich zu ihren westeuropäischen Kameraden, die gelernt haben, sich in der Öffentlichkeit demokratisch zu geben, entlarven sich die Politiker der südosteuro­pä­ischen Parteien in der Fraktion jedoch ohne jede Heuchelei als antisemitisch, nationalistisch und xenophob. Vadim Tudor, Vorsitzender der rumänischen PRM und ehemaliger Vertrauter des Diktators Nicolae Ceausescu, hat wiederholt Juden und Roma beschimpft und gefordert, »Zigeunerbanden kurzerhand zu liquidieren«. Von ihm stammt der Ausspruch, dass Rumänien nur mit der Kalaschnikow regiert werden könne. Sein Parteifreund Dumitru Dragomir wünschte sich einst, »Juden zu Seife zu verarbeiten«. Er gibt eine Zeitschrift heraus, in der unter der Rubrik »Hakenkreuz« Sätze zu finden sind wie etwa der folgende: »Schade, dass heute ein so großer Mangel an Stacheldraht und Zyklon B herrscht.«

Sowohl die PRM als auch das bulgarische Bündnis Ataka haben in vergangenen Wahlkämpfen vor allem damit Erfolg gehabt, Stimmung gegen die Minderheiten in ihren Ländern zu machen. »Türken und Roma raus!« plakatierte Ataka bei den Parlamentswahlen im Jahr 2005. Für das Bündnis wird der erst 23 Jahre alte Dimitar Stoyanov im Vorstand der neuen Fraktion sitzen. Dem Parlament ist der junge Politiker, der schon während der Beitrittsverhandlungen seines Landes als Beobachter im Europäischen Parlament saß, bereits wegen eines rassistischen und sexistischen Angriffs auf die ungarische Roma-Abgeordnete Livia Jaroka bekannt. In einer massenhaft versandten E-Mail schrieb der Bulgare, dass es in seinem Land »Tausende von Zigeunermädchen« gebe, die viel hübscher seien als Jaroka. Man könne sie bereits »für 5 000 Euro das Stück« kaufen.

Der FPÖ-Politiker Andreas Mölzer, der zu den Initiatoren der Bildung einer rechten Fraktion zählt, rechtfertigte die Äußerungen seines Kollegen. »In den neuen Mitgliedsländern ist die politische Kultur noch etwas rauer als bei uns«, sagte er während einer Pressekonferenz in Brüssel, auf der die Rechtsextremen in der vergangenen Woche die Gründung ihrer Fraktion bekannt gaben.

Im Europäischen Parlament sind vor allem die Abgeordneten besorgt, die sich für die Minderheitenrechte von Sinti und Roma in Südosteuropa einsetzen. »Ein klares Signal aus Brüssel« fordert etwa die niederländische Abgeordnete Els de Groen von der Anti-Korruptionspartei »Europa Transparent«. Die Kommission und das Parlament müssten jetzt verstärkt die demokratischen Kräfte in beiden Ländern fördern. De Groen warnte vor einer möglichen Kooperation der rechtsextremen Fraktion mit der Fraktion Europa der Nationen (UEN), in der sich unter anderem die klerikalnationale polnische Familienliga befindet und die vor Weihnachten durch geschickte Verhandlungen zur viertgrößten Gruppe im Parlament aufgestiegen ist, vor den Grünen und den Linkssozialisten. Gemeinsam würden die beiden EU-feindlichen Fraktionen mit 70 Mitgliedern rund zehn Prozent der Abgeordneten stellen. Da die Lega Nord nicht in die neue rechte Fraktion eintreten wollte, scheint diese Gefahr aber zunächst gebannt. Die Bedenken der italienischen Lega Nord gegen den zu radikalen Charakter der neuen Gruppierung werden auch von den Vertretern der UEN geteilt.

Die Vorsitzenden der etablierten Fraktionen reagierten zurückhaltend auf den neuen Zusammenschluss im Parlament. »Sie werden auch als Fraktion politisch unbedeutend bleiben«, sagte der Vorsitzende der Fraktion der Grünen, Daniel Cohn-Bendit. Die anderen Fraktionen wollten ebenfalls auf Proteste verzichten, um die Rechtsextremen dadurch nicht aufzuwerten.

Vor allem die Sozialdemokraten haben momentan andere Sorgen als das Auftreten der extremen Rechten. Der bisherige Fraktionsvorsitzende der Bürgerlichen, der Deutsche Hans-Gerd Pöttering, wird in dieser Woche zum Parlamentspräsidenten gewählt. Er hat die Europäische Volkspartei (EVP) zusammengehalten und gemeinsam mit seinem Kollegen von der SPD, Martin Schulz, dem Vorsitzenden der sozialdemokratischen Fraktion, Mehrheiten ähnlich der Großen Koalition in Deutsch­land organisiert. Pötterings Nachfolger, der französische Gaullist und Europafreund Joseph Daul, wurde aber nur mit knapper Mehrheit gewählt. Viele trauen ihm nicht zu, die sehr heterogene EVP zusammenzuhalten.

Die britischen Konservativen haben bereits beschlossen, die EVP zu verlassen, sobald sie genügend Partner für die Gründung einer europakritischen konservativen Fraktion finden. Auch die osteuropäischen bürgerlichen Parteien sind mit der sehr EU-freundlichen Politik ihrer Fraktion, die vor allem von Deutschland und Frankreich geprägt wird, immer weniger einverstanden. Viele Sozialdemokraten befürchten, die europäische Rechte werde zusehends unberechenbarer.