LeserInnenworld

Die Redaktion behält sich vor, Leserbriefe gekürzt zu veröffentlichen. Zuschriften bitte an: briefe@jungle-world.com oder per Post an die Redaktion.

Jungle World 08/07: Den Boykott boykottiert

Elfenbeinturmuni gesucht

Als wortgewaltiger Wetterer und Warner zu Themen wie Studiengebühren und gestufte Studiengänge erfreut sich Prof. Essbach bei den Freiburger Studierenden großer Beliebtheit. Oft vergessen wird dabei, dass er mit gleicher Wortgewalt gegen die »Fachhochschulisierung der deutschen Universität« zu Felde zieht. Dies legt nahe, dass ihm eine elitäre Elfenbeinturmuniversität vorschwebt, gegen die die heutige Situation der höheren Bildungsanstalten (ebenso wie viele Forderungen der vermeintlich »neoliberalen Technokraten«) regelrecht fortschrittlich anmutet. Nachdem standortnationalistische Argumentationslinien den GebührengegnerInnen schon seit längerem ganz leicht von Lippen kommen, lässt die bildungspolitische Querfront mit Essbach und Konsorten bei mir arge Zweifel daran aufkommen, dass die »Studierendenbewegung« auch nur noch im Entferntesten im progressiven Lager zu verorten ist.

kmr

Jungle World 08/07: Lieber nicht tanzen gehen

Subsistenz oder Verhungern

Einstmals versuchten Linke, Kritik am herrschenden System zu entwickeln und diesem revolutionäre Praxis entgegenzustellen. Seit einer Weile scheinen es sich aber Leute, die sich (noch?) als Linke bezeichnen, zur Aufgabe zu machen, linke Bewegungen zu denunzieren und damit ihren praktischen Beitrag zum Erhalt des herrschenden Systems zu liefern. In diesem Sinne ist in der Tat solche »Kritik bereits Praxis« (Möller). Ein linker Diskurs über Bewegungen wie die Anti-G 8-Proteste ist eigentlich begrüßenswert, kann sich aber nur um das »wie«, nicht um das »ob« drehen. Im Prinzip ist die Kritik regressiver antikapitalistischer Tendenzen ja sinnvoll. Freilich, wenn man sich persönliches Glück nur noch als größtmöglichen materiellen Luxus und Selbstentfaltung nur als Vereinzelung vorstellen kann, dann erscheint der hoch entwickelte Kapitalismus, von ein paar Schönheitsfehlern abgesehen, schon fast als Kommunismus und das konkurrierende Gegeneinander auf Konsum versessener Monaden beinahe als »Assoziation freier Individuen«. Die neokoloniale Zerstörung bäuerlicher Wirtschaftsweisen in der »Dritten Welt« führt zu Massenelend, ohne dass damit eine kapitalistische Entwicklung verbunden wäre, da der Weltmarkt bereits mit Arbeitskräften übersättigt ist. Die Alternative für einen Großteil der Menschen heißt einfach Subsistenz oder Verhungern, und jeder mag selbst entscheiden, was davon emanzipatorischer ist.

daniel dübner