Zart und direkt

Maxim Biller: »Liebe heute«

von heike runge

Gute Polemiken funktionieren so, dass alle Unrecht haben, man selbst Recht hat und beim Rechthaben auch noch gut aussieht. Jemand, der das beherrscht, ist Maxim Biller. Legendär ist seine Teen­age-Zorn-Kolumne im damaligen Tempo, »100 Zeilen Hass«, oder die Polemik »Heiliger Holocaust«, in der Zeit-Leser exklusive Wahrheiten über den deutschen Umgang mit der Shoa erfuhren.

Als Romancier ist der 1960 geborene Biller noch verkannt. Nach etlichen Erzählbänden und dem Roman »Die Tochter« sollte »Esra« das Porträt einer Generation zeichnen, die unfähig ist, über längere Zeit dieselbe Person zu lieben. Der Roman wur­de sofort nach seinem Erscheinen verboten, weil die ehemalige Geliebte des Autors sich allzu naturalistisch in dem Buch geschildert fand.

Man muss sich also an die gerade erschienenen Erzählungen des Bandes »Liebe heute« halten, in denen das Liebesthema aufs Zarteste und Direkteste variiert wird. Die Geschichten spielen in Berlin, München, Prag und Tel Aviv. Frauen und Männer verbringen Zeit miteinander, im Café oder im Bett, hören Musik, verabreden sich zum Essen, schlafen miteinander und gehen dann wieder getrennte Wege. Man einigt sich gerade noch auf eine Stellung, aber nicht mehr auf ein Lebensmodell. Es wird geklammert und begehrt, es wird Schluss gemacht und wieder von vorn begonnen. Der Fokus der Erzählungen liegt auf den Männern und deren Gefühlswelt. In der Geschichte »Große, grüne, wogende Blätter« zweifelt ein Mann an der Liebe seiner Freundin und vermutet, dass sie noch am selben Tag mit ihm Schluss machen werde. Prompt erscheint sie ihm nicht mehr besonders attraktiv, und schon ist er in Gedanken mit der Beziehung durch, als seine Freundin ihn voller Erwartungen zu sich ins Schlafzimmer ruft. Die Geschichten haben kaum Handlung, dafür wird viel geredet. Wie die Sache ausgeht, bleibt offen. Die abrupten Enden sind wie Cliff-Hanger, die die Geschichten im Schwebezustand halten. Es sind Lovestories, die das Transistorische der Liebe feiern. Was will man mehr von einer Kurzgeschichte!

Maxim Biller: »Liebe heute«. Kiepenheuer und Witsch, Köln 2007, 224 S., 18,90 Euro