Blutsban.de

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von maik söhler

»Scheiße« soll mein erstes Wort in dieser Kolum­ne lauten. »Scheiße« bezieht sich auf all die mehr oder weniger neuen Internetportale rund ums Thema Familie. Egal wie sie heißen – ob Verwandt.de, Geni.com oder Myheritage.com –, und egal wo sie herkommen – ob aus Deutschland, den USA oder England –, man möchte erst mal »Scheiße!« schreien.

Denn hier werden Stammbäume erstellt, wird Ahnenforschung betrieben, sollen so genannte Familiennetzwerke entstehen. Web 2.0, Mitmachnetz, Sie wissen schon. Das rasend neue Medium Internet reanimiert eine der archa­ischs­ten Formen menschlichen Zusammen­lebens: die Blutsbande, nein, ist ja das Netz: die ­Blutsban.de.

Was wollen solche Seiten? Einer registriert sich und legt ein Profil an. Dann lädt er die Verwandtschaft per Mail über seinen Account ein, und alle zusammen erstellen den Familienstammbaum inklusive Fotos, Kurzbiografien und Mailadressen. Wird die Seite gehackt oder gibt es eine technische Störung, geraten die Daten vielleicht an die Falschen, und die Werbewirtschaft freut sich wie sonst nur zu Weihnach­ten. Massenhaft werden Fotos von Kindern im Netz stehen, die nie gefragt wurden, ob sie das wollen. Wahnsinn.com!

Aber unfreiwillig kann die Online-Ahnenforschung zur Aufklärung dienen. Die Familie fühlt sich ja unter ihresgleichen. Der SS-Onkel gibt Auskünfte über damals, diesen »Sondereinsatz in Russland«. Auskünfte, die sonst nur nach drei Gläsern Weinbrand aus ihm ’raus­purzeln. Und: Läuft der Account auf mich, dann kann ich die Familienseite auch verwalten. »Oma hinzufügen« geht genauso einfach wie »Onkel entfernen«. Schöne Scheiße.

Verwandt.de, Geni.com, Myheritage.com