Wenn die Ulla mit dem Mullah

Von Ivo Bozic

Vor »Terrorhysterie« warnen und gleichzeitig an der links-jihadistischen Querfont stricken – in der Partei Die Linke ist das kein Widerspruch. So diskreditiert man jede Kritik an den geplanten Gesetzesverschärfungen. von ivo bozic

»Pünktlich zum Jahrestag der Anschläge vom 11. September … », beginnt eine Presseerklärung Ulla Jelpkes, die auch pünktlich zum Jahrestag der Anschläge vom 11. September 2001 erschien. Man könnte also davon ausgehen, dass es darin in irgendeiner Weise um die Anschläge vom 11. September 2001 gehen müsste. Doch nein, das kam der innenpolitischen Sprecherin der Bundestagsfraktion Die Linke nicht in den Sinn. Nur um die geplanten Gesetzesverschärfungen von Regierungspolitikern gegen »eine von ihnen angenommene Bedrohung« geht es, ganz so, als sei jede Sorge, dass die im Sauerland verhafteten Jihadisten etwas anderes als die Eröffnung eines Friseurgeschäfts geplant haben könnten, ein reines Hirngespinst. Den Verkauf bestimmter Chemikalien zu erschweren, lehnt sie daher ab, die Forderung diene nur der »Panikmache«.

In einer anderen Presserklärung versucht Jelpke zu erklären, wie diese »Terrorhysterie« bewusst geschürt werde, allein um Menschenrechte wie das Horten unbegrenzter Mengen Blondiermittels abzubauen. Man hätte die drei Verdächtigen bereits vorher festnehmen können, erklärt sie, stattdessen habe man sie aber »wahrscheinlich« deshalb mit der Anschlagsplanung beginnen lassen, um die öffentliche Stimmung zugunsten geplanter Gesetzesverschärfungen zu beeinflussen.

Dass es Jelpke mit dieser Verschwörungsklamotte gar nicht grundsätzlich um Kritik am Abbau von Grundrechten geht, wird in einer anderen Erklärung deutlich, in der sie sich dagegen ausspricht, die Teilnahme an so genannten Terrorcamps zu bestrafen. Damit würden die strafrechtliche Ermittlung und die Strafe »weit ins Vorfeld jeder konkreten Tat verlegt«. Das mag ein aus rechtsstaatlichen Erwägungen berechtigter Einwand sein. Doch nur einen Absatz weiter fordert Jelpke genau all das, was der Staat gegen­über Jihadisten bitteschön zu unterlassen habe, gegen Neonazis zu tun: »Eher sollten die Innenminister sich mit Neonazis befassen, die Schießübungen machen, Kampftraining organisieren und sich Waffen und Sprengstoff besorgen.« Woher will Ulla Jelpke wissen, dass Neonazis nicht ebenfalls aus rein touristischem Interesse in ein Ausbildungscamp fahren und Wasserstoffper­oxyd nicht schlicht zum Blondieren ihrer Mädelschar benötigen?

Es wäre sicher böswillig, Ulla Jelpke, der zweifelsfrei große Verdienste im Kampf gegen Rassismus und Nazis anzurechnen sind, wegen dieser schrä­gen Argumentation zu unterstellen, sie wür­de dem Jihadismus einfach mehr Sympathien entgegenbringen als den Neonazis. Nein, tatsächlich gibt es in Deutschland Tag für Tag nazistische und rassistische Gewalt, während Aktivitäten jihadistischer Terroristen im Verhältnis dazu Ausnahme­erscheinungen sind. So könnte man, gutwillig gestimmt, ihre Relativierung der islamistischen Terror-Gefahr relativieren.

Aber ganz abwegig ist der Gedanke, dass Sympathien für den Jihad bei der Jelpke’schen Argumentation eine gewisse Rolle spielen, dann doch nicht. Immerhin ist Jelpke für ihre unkritische Einstellung gegenüber Terrorgruppen wie Hiz­bollah bekannt. Auf einer Demonstration gegen den Libanon-Krieg im Juli letzten Jahres in Berlin ließ sie sich bei einer Rede vor zahlreich versammelten Hizbollah-Anhängern zu wahren Schimpf­tiraden gegen Israel hinreißen und folgerte: »Wer angesichts dieser Massaker und angesichts dieser sinnlosen Zerstörungswut noch einen Hauch von Verständnis für die israelische Politik aufbringt, macht sich zum Mittäter, zum Komplizen von Mord und Terror.« Im März 2006 setzte sich Jelpke in Hamburg für den Auftritt eines Sprechers der irakischen Terrororganisation »Irakische Patriotische Allianz« (IPA), Awni al-­Kalemji (Jungle World 40/2004), ein, den die Polizei unterbinden wollte. Die IPA ist eine bewaffnete Terrorgruppe im Irak, die Anschläge verübt und sich die Bünde­lung der Widerstandskräfte gegen die US-Besatzer zum Ziel gesetzt hat.

Einer von Jeplkes Mitarbeitern ist zudem kein ge­ringerer als der junge Welt-Autor Nikolaus Brauns, der gerade ein Buch herausgegeben hat, das wohl zum Übelsten gehört, was Linke, wenn man dieses Wort hier überhaupt noch benutzen will, her­vorzubringen vermögen. In dem Sammelband »Naher und Mittlerer Osten – Krieg, Besatzung, Widerstand« versammelt Brauns so ziemlich alle Autoren, die man bedenkenlos der links-jihadistischen Querfront zurechnen kann, einige von ihnen gehören selbst terroristischen Gruppen an oder unterstützen sie offen.

Rezensent Jürgen Elsässer, der das Buch in der jungen Welt begeistert als »unersetzliches Grundlagenwerk« feierte, fasste dessen Aussage treffend so zusammen: »Mit Hizbollah und Hamas gegen das Empire«. Die beiden antisemitischen Terrororganisationen seien, so Elsässer, die »Gruppierungen, die heutzutage die Hauptlast im Kampf gegen den neuen Kolonialismus tragen«. Unter den Autoren des Buches finden sich zum Beispiel Ali Fayyad von der Hizbollah, ein irakischer Ayatollah, der seinen Beitrag mit »Allah ist groß« un­terzeichnet, die beiden ehemaligen Stasi-Spione Klaus von Raussendorff und Rainer Rupp und der Kopf der Antiimperialistische Koordination (AIK), Willi Langthaler, der ebenso wie Autor Joachim Guilliard als Spendensammler für die Terror­truppe IPA (52/2003) in Erscheinung getreten ist. Mit einem antisemitischen Verschwörungsstück in dem Buch ebenfalls vertreten ist der Generalsekretär der IPA, Jabbar al-Kubaysi, der in einem junge Welt-Interview im August die partielle Zusammenarbeit des irakischen »Widerstands« mit al-Qaida bestätigte.

Willi Langthaler fordert in seinem Beitrag expli­zit die Querfront der Linken mit dem politischen Islam, mit Hizbollah (die das »Gegenteil« einer »reaktionär-konservativen Bewegung« sei) und Hamas, und beschreibt, was Linke und Islam neben antizionistischen und antiamerikanischen Grundfesten verbinde: »Es lassen sich zahlreiche Beispiele finden, wo der Islamismus nicht nur eine antiimperialistische, sondern auch sozial fortschrittliche Rolle spielt, wie bei der libanesischen Hizbollah oder beim palästinensischen Islamischen Jihad.« Die linke Qassam-Brigade geht in Stellung.

Auch Brauns selbst fordert in seinem Vorwort, sich dem stellvertretenden Generalsekretär der Hizbollah anschließend, ein »Bündnis des islamisch-religiösen Widerstands gegen Imperialismus und Zionismus mit der säkularen Linken«. Während Ulla Jelpke in täglich neuen Pressemitteilungen gegen die um sich greifende »Terror­hysterie« zu Felde zieht, beschäftigt sie in ihrem Büro einen Mann, der offensiv an einer Allianz der Linken mit dem islamistischen Terror strickt. Da diskreditiert sich jede Kritik an den geplanten Verschärfungen im Bereich der inneren Sicherheit von selbst.

Dass einige Mitglieder der Bundestagsfraktion »Die Linke« keine Berührungsängste mit islamistischen Terroristen haben, zeigte sich auch vor knapp einem Jahr, als die Fraktion einen Sprecher der Hamas zu ihrer »Nahost-Konferenz« einladen wollte. Der Abgeordnete Norman Peach erklärt regelmäßig, dass man mit der Hamas in den Dialog treten müsse. Hat man das von Brauns herausgegebene Buch gelesen, weiß man auch, was es zu bereden gibt. Oskar Lafontaines geplante, wenn bisher auch nicht zustande gekommene Iran-Reise ist bei alledem nur die Spitze des Eisberges.

Nicht alle in der Partei Die Linke ticken so, das soll hier nicht verschwiegen werden, und dass links-jihadistische Bündnisbestrebungen keineswegs allein in dieser Partei anzutreffen sind, auch nicht. Aber jene Partei hat ja nicht nur eine Gegen­wart, sondern auch eine Vergangenheit, die hinsichtlich der Zusammenarbeit mit arabischem und antiisraelischem Terrorismus alles andere als aufgearbeitet ist.