»Organize!«

1,47 Milliarden Überstunden werden die Beschäftigten in Deutschland am Jahresende geleistet haben, etwa 60 Millionen mehr als im Vorjahr. Das teilte das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg mit. Was sagt Verdi dazu? Ein Gespräch mit der Arbeitsmarktexpertin Sabine Reiner. Small Talk von Stefan Wirner

Woran liegt es, dass so viele Überstunden geleistet werden? Am wirtschaftlichen Aufschwung?

Im Moment ist es vor allem der Aufschwung. Dazu kommt aber, dass die Beschäftigungsverhältnisse flexibler und der Druck größer geworden sind: Längere Arbeitszeiten und mehr Überstunden werden freiwillig bzw. unfreiwillig hingenommen.

Kann man die Zahl der Überstunden direkt in Arbeitsplätze umrechnen?

Klar kann man sagen, wie viele Vollzeit- und Teilzeitstellen dadurch rechnerisch wegfallen oder nicht entstehen. Aber was das IAB in Nürnberg angibt, das sind nur die offiziell nachgewiesenen Überstunden. Es gibt natürlich eine Dunkelziffer.

Das Institut hat darauf hingewiesen, dass gerade im Dienstleistungsbereich Überstunden oftmals nicht bezahlt werden. Woran liegt das?

Zum Beispiel an der Definition von Vor- und Nacharbeiten. Das Bestücken von Regalen im Supermarkt oder das Saubermachen werden mal eben als Vorbereitung der Arbeit definiert. Vor allem aber kommt es auf die Verhandlungsstärke der Beschäftigten an, die in vielen Dienstleistungsberufen ausbaufähig ist. Gut organisierte Beschäftigte können sich gemeinsam viel besser gegen das Ausfransen von Arbeitszeiten wehren.

Hinzu kommt, dass viele Leute im Dienstleistungssektor heute weniger arbeiten, als sie arbeiten wollen. Hier hat der Handel aus Vollzeitstellen viele Minijobs gemacht. Das Interesse der Beschäftigten ist groß, mehr bezahlte Arbeit zu leisten.

Was kann man dagegen tun?

Organize! Erfolg kann man nur haben, wenn man sich wehrt. Dazu müssen die Beschäftigten gemeinsam den entsprechenden Druck ausüben.