Europa über alles

Rechtsextreme Parteien aus mehreren Ländern wollen bei den nächsten Wahlen zum Europa-Parlament gemeinsam antreten. von bernhard schmid

In Köln, direkt am Rhein, ist ein großes Festzelt aufgebaut, das 1 000 Personen fassen kann. Menschen drängen sich vor dem Eingang. Im Inneren gibt es keineswegs fröhliches Geschunkel und Humbahumbatätärä wie zum Karneval. Stattdessen sind hässliche Reden zu hören. Zu viele Fremde gebe es in Europa, die sich nicht anpassten und hier nichts zu suchen hätten. Moscheen verschandelten die Städte, und man fühle sich im eigenen Land nicht mehr zu Hause. Ein älterer Herr, ein gewisser Jean-Marie Le Pen, gibt zusätzlich Bonmots zum Holocaust zu Protokoll.

So oder so ähnlich stellt sich die rechtspopulistische Partei Pro Köln wohl ein Ereignis vor, das sie für den 19. und 20. September dieses Jahres plant. Die Partei ging in den neunziger Jahren aus einer Abspaltung der Republikaner hervor, stellt derzeit fünf Kommunalabgeordnete im Rat der Stadt und ist an den Versuchen beteiligt, die überregionalen Parteien »Pro NRW« und »Pro Deutschland-Bewegung« aufzubauen. Das Ereignis im Herbst wird als »Anti-Islamisierungs-Konferenz« ausgegeben, wobei die Veranstalter unter »Islamisierung« schon die bloße Anwesenheit muslimischer Immigranten in Europa verstehen. Politiker der extremen Rechten aus mehreren Ländern wie Frankreich, Belgien und Öster­reich sollen zu diesem Anlass anreisen, darunter der Vorsitzende der FPÖ, Heinz-Christian Strache, der Vorsitzende des Front National (FN), Jean-Marie Le Pen, und der Fraktionsvorsitzende des belgischen Vlaams Belang (»Flämisches Interesse«), Filip Dewinter.

Die Stadt Köln hält sich bisher bedeckt, was die Genehmigung der Zusammenkunft auf der Festwiese an der Deutzer Brücke betrifft. Nach dem Be­bauungsplan sind dort nur zweimal pro Jahr Rum­mel sowie »stadtteilbezogene Veranstaltungen« vorgesehen. Eventuell muss Pro Köln sich nach einem anderen Veranstaltungsort umsehen.

Die beteiligten Parteien wird bis dahin möglicherweise schon mehr verbinden als ihre Gesinnung. Denn auch eine »Europäische Freiheitspartei« oder »Europäische Patriotische Partei« ist in Planung, die im Juni 2009 zu den Wahlen zum Europaparlament antreten soll. Das verkündeten die Parteivorsitzenden der FPÖ, des Front Natio­nal, des Vlaams Belang und der bulgarischen Atakia-Partei, deren Vorsitzender Wolem Siderow bei einer Präsidentschaftswahl vor anderthalb Jahren über 20 Prozent erhielt und auf einer Presse­konferenz am 25.Januar in Wien mit rassis­tischer Hetze gegen Roma auffiel.

Die EU erkennt solche Parteienzusammenschlüs­se an und fördert sie finanziell, sofern mindestens sieben ihrer Mitgliedsstaaten daran beteiligt sind. Der Österreicher Andreas Mölzer, derzeit einziger Vertreter der FPÖ im Europa-Parlament und treibende Kraft, was die Gründung einer europäischen rechtsextremen Partei betrifft, erhofft sich einen jährlichen Anspruch auf 250 000 Euro aus den EU-Mitteln für Parteienförderung. Davon würden sich zumindest Büro und einige hauptamt­liche Mitarbeiter finanzieren lassen.

In der Vergangenheit gab es mehrere Versuche der extremen Rechten, eine gemeinsame europäische Fraktion zu bilden. Meist hielten die Konstrukte nicht lang. Die Zusammenarbeit scheiterte regelmäßig daran, dass jeder der Parteichefs sich für den Größten hielt oder nationalistische Interessen nicht miteinander vereinbar waren.

Die erste gemeinsame Fraktion rechtsextremer Parteien im Europa-Parlament scheiterte im Jahr 1989 an der so genannten Südtirol-Frage. Die neu eingezogenen Europa-Abgeordneten der westdeutschen »Republikaner« unter Franz Schönhuber pochten auf den »deutschen Charakter Süd­tirols«, und das Thema entzweite die deutschen bzw. österreichischen und die italienischen Rechts­extremisten. Hinzu kam, dass sich zur damaligen Zeit die italienische neofaschistische Partei MSI nur in geringem Maße für die »Einwanderungsproblematik« interessierte. Denn dort, wo die Neofaschisten besonders stark waren, in Süd­italien, wanderten die Menschen eher aus als ein. Erst im Laufe der neunziger Jahre wurde der »klas­sische« Rassismus in Bezug auf Einwanderer zum politischen Thema in Italien. Das ging einher mit dem Aufstieg der rassistisch-regionalistischen Lega Nord im industrialisierten Nord­italien einer­seits und mit den rassistischen Ausbrüchen gegen afrikanische Migranten in Süditalien anderer­seits. Ende der achtziger Jahre schlug sich der fran­zösische Front National im Streit zwischen den deutschen »Republikanern« und den italienischen Neofaschisten noch deutlich auf die Seite der Deut­schen, da Le Pen und Franz Schönhuber verband, dass sie beide mit rassistischer Hetze gegen Mi­granten Erfolge hatten feiern können.

Im Januar 2007 verzeichnete die extreme Rech­te im Europa-Parlament starken Zuwachs. Mit dem Beitritt Rumäniens und Bulgariens kamen große rechtsextreme Parteien hinzu. Fortan waren im Parlament genügend Abgeordnete beisam­men, um eine Fraktion zu bilden; sie nannte sich »Iden­tität – Tradition – Souveränität«. Im November vergangenen Jahres zerfiel die Fraktion bereits wieder. Die italienische Abgeordnete Alessandra Mussolini hatte nach einem Mordfall in der Nähe von Rom gegen rumänische Einwanderer gehetzt und dabei auch gefordert, den rumänischen Botschafter aus Italien hinauszuwerfen. Die Rechtsextremisten der »Großrumänienpartei« tobten. In der Folge zogen sich sowohl die italienischen als auch die rumänischen Abgeordneten aus der gemeinsamen Fraktion zurück.

Nach der Neuwahl der Vertreter Rumäniens im Europa-Parlament Ende November verloren die Rechtsextremisten ihre Sitze. Die Partei von Corneliu Vadem Tudor erhielt nur noch 3,5 Prozent der Stimmen, nachdem ihr Vorsitzender – einstmals »Hofdichter« des national-stalinistischen Diktators Nicolae Ceauscescu, bevor er sich antikommunistisch gewendet präsentierte – im Jahr 2000 noch ein Drittel der abgegebenen Stimmen hatte einsammeln können.

Nunmehr gibt es also einen neuen Anlauf zur Ver­einigung. Derzeit sind mit dem FN, dem Vlaams Belang, der FPÖ und der Atakia erst vier Parteien beteiligt. Auf der Pressekonferenz in Wien wurde jedoch angekündigt, man wolle Gespräche mit holländischen, zypriotischen, dänischen, italienischen, griechischen, englischen und slowakischen Parteien führen. Gespräche mit der NPD oder der DVU schloss Hans-Christian Strache mit den Worten »von mir sicher nicht« zumindest für sich persönlich aus. Mit der Pro Köln be­zieh­ungs­weise der »Pro NRW« oder »Pro Deutschland-Strömung« würde vermutlich ein Wörtchen gewechselt werden. Andreas Mölzer nannte als gemeinsame Ziele der Parteien die Bekämpfung der angeblichen »Islamisierung«, der »Selbstaufgabe« Europas und der »unkontrollierten (außereuropäischen) Massenzuwanderung«. Einen gemeinsamen Wahlkampf soll es dennoch nicht ge­ben.