Was erwarten wir eigentlich von Aliens?

Die Menschen reden, die Aliens schweigen

Am Sonntag landet die Sonde Phoenix auf dem Mars, um nach Spuren von Mikroben zu suchen. Der Nachweis ihrer Existenz würde auch die Forschung über intelligentes außerirdisches Leben voranbringen. Doch was erwarten wir eigentlich von den Aliens?

Wenn im Jahr 22 770 irdisch-christlicher Zeitrech­nung ein intelligentes außerirdisches Wesen auf einem der Planeten, die eine Sonne im Kugel­sternhaufen M 13 umkreisen, Funksignale auffängt, kann es eine Botschaft vernehmen. Sie wurde im Jahr 1974 vom Arecibo-Observatorium in Puerto Rico gesendet. Ist der Alien mathematisch gebildet, so kann er die binären Signale ent­schlüsseln, er wird erfahren, dass es auf einem Planeten namens Erde 176 Zentimeter große zwei­beinige Wesen gibt, die sich für intelligent halten. Würdigt er uns einer Antwort per Funksignal, kann diese frühestens im Jahr 47 574 em­pfangen werden.
Schnellere Kunde über mögliches außerirdisches Leben bringt die Sonde Phoenix, die, wenn nicht im letzten Moment noch etwas schiefgeht, am Sonntag auf dem Mars landen wird. Allerdings erwarten die Forscher nicht, dass ein kleines grünes Männchen die Sonde bestaunt. Sie suchen in der Polregion des Mars, wo es gefrorenes Wasser gibt, nach Mikroorganismen und Spuren vergangenen Lebens, die noch nach Jahrmilliarden nachweisbar sein könnten.
Die meisten Wissenschaftler sind der Ansicht, dass der Mars vor etwa vier Milliarden Jahren sein Magnetfeld verlor. Ohne diesen Schutz vor der Sonnenstrahlung ist Leben wahrscheinlich unmöglich. Auch flüssiges Wasser gab es vielleicht nur in einer relativ kurzen Periode. »Der Mars ist kein toter Planet«, meint hingegen James Head, Planetargeologe der Brown University. Sein Team kam nach der Analyse der Daten, die von früheren Nasa-Sonden gesammelt wurden, zu dem Schluss, dass es auf dem Mars bedeutende klimatische Veränderungen gibt. Noch in kosmisch gesehen jüngster Vergangenheit, vor 400 000 Jahren, könne es flüssiges Wasser gegeben haben, das sich unter extrem hohem Druck im Inneren mehrere Kilometer dicker Eisschichten bildete.
Selbst wenn nur Spuren von Mikroorganismen aus ferner Vergangenheit gefunden werden, wäre das von immenser Bedeutung für die Suche nach intelligentem außerirdischem Leben. Wenn in unserem Sonnensystem, einem von mehr als 100 Milliarden allein in unserer Galaxis, auf zwei Planeten Leben entstanden ist, wäre es sehr wahrscheinlich, dass dies auch anderswo im Universum geschah.

Von der Mikrobe zum verständigen Alien ist es jedoch ein weiter Weg, und zwischendurch kann allerhand passieren. In weniger als 50 Lichtjahren Entfernung explodiert eine Sonne und setzt ihre Umgebung tödlicher Strahlung aus. Ein großer Meteorit schlägt ein. Durch Veränderungen im Kern des Planeten verschwindet das vor kosmischer Strahlung schützende Magnetfeld. Das sind nur drei von vielen möglichen Ereignissen, die aus einem belebten einen toten Planeten machen würden.
Für die Entwicklung von Leben ist nach Ansicht der meisten Wissenschaftler eine Jahrmilliarden währende Stabilität erforderlich. Einige Forscher haben diese These jedoch in Frage gestellt, sie halten vielmehr Veränderungen, sogar Katastrophen für den Antrieb der Evolution. Schließlich verdanken wir unsere Dominanz auf diesem Planeten wahrscheinlich dem Einschlag eines Meteoriten vor etwa 65 Millionen Jahren, der die gefräßige Konkurrenz beseitigte.
Im Grunde wissen wir also noch recht wenig darüber, was im Universum vor sich geht. Bereits 1960 wurde die Drake-Gleichung entwickelt, mit der sich die Zahl außerirdischer Zivilisationen in unserer Galaxis berechnen ließe:

N = R* · fp · ne · fl · fi · fc · L

Allerdings sind die meisten Faktoren unbekannt. Wir haben eine ungefähre Vorstellung über die mittlere Sternentstehungsrate (R*) und glauben, dass der Anteil von Sonnen mit Planetensystemen (fp) bei immerhin 50 Prozent liegen könnte. Wie viele erdähnliche Planeten in Entfernungen um ihre Sonne kreisen, die Leben ermöglichen (ne), wissen wir hingegen nicht. Hin und wieder wird das wohl vorkommen, und bei der Antwort auf die Frage, ob es auf solchen Planeten Leben gibt (fl), könnte Phoenix helfen.
Entwickelt sich aus primitivem intelligentes Leben (fi)? Die Selbsteinschätzung des Menschen als unerlässliche Lebensform sagt noch nichts darüber aus, wie die Evolution auf anderen Planeten verläuft. Dass Menschen großes Interesse an Aliens haben, muss nicht auf Gegenseitigkeit beruhen. Würden Sie Lichtjahre weit reisen, um Angela Merkel oder Kurt Beck kennen zu lernen? Wie es mit der Bereitschaft der Aliens zur Kommunikation steht (fc), ist ebenso unbekannt wie die durchschnittliche Lebensdauer einer technisierten Zivilisation (L).
Die Debatte über außerirdisches Leben ist daher eher ein Spiegelbild irdischer Befindlichkeiten, beeinflusst von gesellschaftlichen Verhältnissen und Entwicklungen. Das gilt bereits für die Frage, ob es außerirdisches Leben gibt. Wissenschaftliche Untersuchungen über die Motive für Optimismus und Skeptizismus im Hinblick auf Aliens gibt es bislang nicht. Die Vermutung liegt nahe, dass die meisten Astrooptimisten der Ansicht sind, dass dieser erbärmliche Planet einfach nicht alles sein darf, was das Universum außer toter Materie hervorgebracht hat. Unter ihnen dürfte der Anteil jener, die unzufrieden mit den Verhältnissen auf der Erde sind, größer sein als unter den Astroskeptikern, die sich offenbar mit dem begnügen wollen, was dieser Planet zu bieten hat.
Doch es geht auch um Interessen. Die Forscher der Nasa sind zum Astrooptimismus geradezu ver­pflichtet, denn das öffentliche Interesse an außer­­irdischem Leben gehört zu den besten Argumenten bei den Budgetverhandlungen mit der Regierung. Für Geistliche hingegen sind Aliens ein schwer kalkulierbares Risiko. Inbesondere die Christen hätten ein Problem, denn ohne Jesus gibt es keine Erlösung, und es ist schwer vor­stellbar, dass er sich auf unzähligen Planeten kreuzigen ließ. Die Christen müssten anerkennen, dass es andere Wege zur Erlösung gibt. Welche, verrät Gott wohl erst beim Jüngsten Gericht: »Und er wird senden seine Engel mit hellen Posaunen, und sie werden sammeln seine Auserwählten von den vier Winden, von einem Ende des Himmels zu dem anderen.« (Mt. 24:33)

Manche Muslime glauben, im Koran sei von Aliens die Rede: »Und unter Seinen Zeichen ist die Schöpfung der Himmel und der Erde, und jeglicher Lebewesen, die Er in beiden verstreut hat.« (42:29) Der Kontext deutet allerdings an, dass damit Engel und Jinn (Feuergeister), also Wesen der irdischen Schöpfung, gemeint sind. Wenn die Außerirdischen Monotheisten sind, könnten Muslime dies als Bestätigung ihres Glaubens werten. Andererseits werden sie im Koran ausdrücklich gewarnt: »Oh Versammlung von Jinn und Menschen! Wenn ihr imstande seid, über die Grenzen der Himmel und der Erde hinauszugehen, dann gehet. Doch ihr werdet nicht imstande sein zu gehen, außer mit Ermächtigung.« (55:33) Wie die Erlaubnis für interstellare Reisen eingeholt werden kann, verrät der Koran leider nicht.
So hat ein jeder andere Erwartungen an die Aliens. Seien wir ehrlich: Wir Linken wären arg enttäuscht, wenn wir erfahren müssten, dass in den Naquada-Minen der Pegasus-Galaxis misera­ble Löhne gezahlt werden und es auf Betazed Zwangsheiraten gibt. Die an die Aliens geknüpften Erwartungen geben menschliche Erfahrungen und Hoffnungen wieder. So ist es gewiss kein Ergebnis wissenschaftlicher Recherchen, wenn in der rauen und unfreundlichen Atmosphäre Berlins nur 43 Prozent der von Emnid Befragten glauben, Außerirdische seien »neugierig und friedlich«, während in den Vorgartenidyllen Baden-Württembergs 83 Prozent diese Ansicht vertreten.
Doch auch das unter Wissenschaftlern immer wieder diskutierte Fermi-Paradoxon geht von sehr irdischen Erfahrungen aus. Selbst wenn sich die Lichtgeschwindigkeit als unüberwindliche Schranke erweist, könnte eine einzige Zivilisation die Galaxis in einigen Millionen Jahren kolonisieren. Da es angesichts des Alters der Galaxis unwahrscheinlich ist, dass wir die ersten sind, müssten die anderen schon hier gewesen sein, spekulierte der Physiker Enrico Fermi. Er übertrug umstandslos irdische Verhältnisse in den Weltraum: Technisierte Großmächte sind expansionsorientiert. Was aber sollen die Aliens eigentlich mit all den Planeten anfangen?

Erdgebunden ist allerdings auch die Vorstellung, wir könnten im Weltraum nur auf wohlwollende Aliens treffen. In den siebziger und achtziger Jahren, als vornehmlich diskutiert wurde, ob die atomare oder die ökologische Apokalypse wahrscheinlicher sei, herrschte nicht nur unter Linken die Vorstellung, eine technisierte Zivilisation werde sich entweder selbst zerstören oder ihre Probleme lösen. Auf fremden Planeten müsste sich also entweder ein radioaktives Trümmerfeld oder eine aufgeklärte Zivilisation ohne soziale Probleme finden. Doch die Apokalypse blieb bislang aus, die Probeme sind immer noch da, und die Technologie entwickelt sich weiter. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch auf anderen Planeten der technologische dem sozialen Fortschritt vorauseilt.
Vielleicht ist aber auch alles ganz anders. An die Erde und ihre Lebensbedingungen gewöhnt, bedenken wir nur selten, dass schon geringfügig andere Verhältnisse die Evolution und die Entwicklung intelligenten Lebens in andere Richtungen lenken könnten. Ein Planet ohne Jahreszeiten etwa, der sich langsamer um seine Achse und seine Sonne dreht, würde andere Lebensformen hervorbringen, und dort lebende intelligente Aliens hätten vermutlich ein anderes Verständnis der Zeit. Welche Folgen das für ihr Weltbild hätte, können wir kaum erahnen.
Und vielleicht gibt es auch einen Planeten, auf dem es keine Ressourcenknappheit gibt und die Bewohner einem Besucher von der Erde auf die Frage, wo ihr Anführer ist, keine Antwort geben können, weil sie nicht wissen, was ein Anführer ist. Zugegeben, das war jetzt wieder so eine irdisch-kommunistische Idee. Obwohl alle, die über Außerirdische reden, sich gerne wissenschaftlicher Argumente bedienen, ist die Debatte letztlich geistreicher Tratsch. Eben darin liegt ihr besonderer Reiz. Und selbst wenn wir nie etwas über echte Aliens in Erfahrung bringen können, können wir beim Plaudern über sie viel über uns selbst lernen.