Die Linkspartei kritisiert den Antizionismus

Sich jetzt endlich einmischen

Nur in der Linkspartei findet derzeit eine öffentlich wahrnehmbare Diskussion über das Verhältnis zu Israel statt. Deshalb ist jetzt der richtige Zeitpunkt für israel­solidarische Interventionen.

Ein offener Brief, in dem antiisraelische Positionen kritisiert wurden, war im Sommer 2006 der Auftakt einer Entwicklung, die deutlich machte, dass es nicht wenige Mitglieder in der Linkspartei gibt, die gegen die Unterstützung antisemitischer Mörderbanden und für eine Solidarität mit Israel eintreten. Die Gründung des BAK Shalom stellt den Versuch dar, der Debatte einen institutionellen Rahmen zu geben, um sie dadurch zu forcieren. Die bisherige Resonanz ist immens. Das zeigt nicht nur das Presseecho, sondern das zeigen auch die vielen Solidarisierungen, in denen häufig Verwunderung darüber zum Ausdruck gebracht wird, dass sich ein Arbeitskreis formierte, der sich programmatisch gegen Antisemitismus, Antizionismus, Antiamerikanismus und regressiven Antikapitalismus richtet und dazu noch der größte und aktivste der Linksjugend ist.
Aber auch Angriffe ließen nicht lange auf sich warten. Werner Pirker spricht in der Jungen Welt von linken Rassisten. Die Stalinisten der KPF halluzinieren eine antideutsche Unterwanderung herbei. Die Linksruck-Anhänger (jetzt »Marx 21«) toben und sehen einen Verstoß gegen antimilitaristische Grundsätze. In E-Mails ist von Mossad-Agenten die Rede, und es werden offen Drohungen ausgesprochen. Die Aggressivität der Antiim­perialisten zeugt davon, dass die Diskussion nun in einem Bereich geführt wird, den sie lange für sich reklamierten. Es ist gelungen, in der Linkspartei eine Debatte zu initiieren, die viele dort nie haben wollten. Ein weiterer Grund für die Vehemenz der Abwehrreflexe ist die nicht eingestandene Vermutung, dass der Antiimperialismus heute seinen authentischen Ausdruck bei der NPD findet.

Es wird aber noch von anderer Seite Kritik formuliert. So schreibt die antideutsche Zeitung Bahamas, dass der BAK Shalom nur als Feigenblatt diene und für die jungen Modernisierer stehe. Dies verkennt die Heterogenität der Linkspartei, die von emanzipatorischen Linken bis zu orthodoxen Kommunisten reicht. Die Differenzen sind fundamental, und die weitere Entwicklung ist keineswegs ausgemacht. Deshalb ist jetzt der richtige Zeitpunkt für eine Intervention.
Die Linkspartei ist die einzige wahrnehmbare Kraft, in der die Diskussion geführt wird. Was in der Bahamas steht, ist unter dem Aspekt der gesellschaftlichen Relevanz ebenso egal wie die Diskussion in antideutschen Kleingruppen. Nicht dass Wirkmächtigkeit ein Selbstzweck wäre, aber sie ist nicht gänzlich zu ignorieren, wenn an einem aufklärerischen Impetus festgehalten wird. Völlig klar ist, dass ein Agieren in Partei­strukturen Kompromisse und Pragmatismus erfordert. Viele Antideutsche propagieren jedoch lieber autosuggestiv die reine Kritik, die sich von der Praxis nicht beschmutzen lässt. Man klopft sich gegenseitig auf die Schultern und bestätigt sich, wie Recht man hat. Die Gefahr des Abdriftens ins Identitäre ist hier evident. Man sucht nicht den Dissens und will niemanden am Diskurs partizipieren lassen, wie es pejorativ formuliert wird. Bedenklich ist, dass damit der Anspruch auf Selbstreflexion unterlaufen wird. Ambivalenzen in der eigenen Haltung werden entweder nicht zugelassen oder nicht transparent gemacht. Dies bedingt eine Verflachung israelsolidarischer Positionen, weil sie von vielen nur aus einem identitären Bedürfnis übernommen werden.

Ein anderer Kritikpunkt ist, dass Solidarität mit Israel in der Linkspartei nur zur Untermauerung einer Regierungsfähigkeit gebraucht werde. Dies ähnelt dem Vorwurf an den ehemaligen Außenminister Joschka Fischer, dass er ein verkappter Antizionist sei. Dass die Mehrheit der Israelis in ihm einen der stärksten Unterstützer sah, interessierte nicht, weil sich mithilfe antideutscher Ideologiekritik nachweisen ließ, dass nicht sein kann, was nicht sein darf. Abgesehen von der Arroganz zeigt dies ein Nichternstnehmen anderer Meinungen. Wie aber, wenn nicht in einer Diskussion, in der verschiedene Standpunkte kollidieren, findet eine Schärfung der Position statt?
Viele antideutsche Essentials wurden infolge der Debatten der letzten Jahre von der Mehrheit der außerparlamentarischen Linken übernommen. Insofern ist die antideutsche Polemik gerade wegen ihres Erfolgs zunehmend obsolet. Heute dient sie zur identitätsstiftenden Hervorhebung der eigenen Radikalität. Im Gegensatz dazu hat die Diskussion in der Linkspartei gerade angefangen. Vielleicht stellt sich bald heraus, dass es sich um einen Kampf gegen Windmühlen handelt. Dies mag sein, aber momentan gibt es viele Indizien, die eine gegenteilige Einschätzung nahe­legen. Dies ist kein Plädoyer für einen naiven Optimismus, aber ein Plädoyer dafür, sich auf Auseinandersetzungen einzulassen, die bisher gescheut wurden.

Der Autor ist Gründungsmitglied des BAK Shalom