Ein Gespräch mit Michael Csaszkóczy über Verfassungsschutz, Berufsverbote und »gefährliche autonome Lehrer«

»Das Berufsverbot war ein Fulltime-Job«

Gegen Michael Csaszkóczy wurde 2004 vom Oberschulamt Karlsruhe und 2005 vom hessischen Schulamt Bergstraße ein faktisches Berufverbot verhängt, mit der Begründung, dass er Mitglied der Heidelberger Antifa ist und Zweifel an seiner Verfassungstreue bestünden. Im August 2006 ließ jedoch der baden-württembergische Verwaltungsgerichtshof die Berufung Csasz­kóczys zu, und auch das Darmstädter Verwaltungsgericht hob den Ablehnungsbescheid des Schulamtes auf. Daraufhin wurde Csaszkóczy zu Beginn des nun zu Ende gehenden Schuljahrs 2007/08 eine Stelle an der Realschule in Eberbach angeboten, wo er seitdem unterrichtet.

Mit dem Beginn der Ferien geht auch Ihr erstes Schuljahr als Lehrer nach der Aufhebung des faktischen Berufsverbots zu Ende. Wie lief das Jahr für Sie an der neuen Schule?
Es war vor allem anstrengend. Ich habe seit fast fünf Jahren nicht mehr in diesem Beruf gearbeitet und kannte weder die aktuellen Lehrpläne noch die Schulbücher, geschweige denn die Schule selbst. Von einem Tag auf den anderen kam die Aufforderung, dass ich am nächsten Morgen in der Schule in Eberbach sein soll. Es gab einen riesigen Presserummel in der Kleinstadt im Oden­wald. Meine einzige Chance, dort akzeptiert zu werden, bestand darin, durch guten Unterricht zu überzeugen. Das hat mir selbst­verständlich einen immensen Druck verschafft. Aber ich bin froh, endlich wieder meinen Beruf ausüben zu können, und es gibt sogar schöne Momente im Schulalltag.
Was haben Sie während der Verfahrensdauer gemacht, und wie haben Sie Ihren Lebens­unter­halt bestritten?
Den größten Teil der Zeit habe ich Hartz IV bekommen. Zur Finanzierung der Kampagne gegen das Berufsverbot hat anfangs vor allem die Rote Hilfe beigetragen, die Anwalts- und Gerichtskosten hat die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) übernommen. Gegen Ende meines Berufsverbots habe ich dann ein Promotions­stipen­dium von der Hans-Böckler-Stiftung erhalten. Aber das Berufsverbot war ironischerweise fast ein Fulltime-Job: Pressearbeit, Veranstaltungen, Bünd­nisarbeit mit Gewerkschaften und politischen Gruppen, die juristische Auseinandersetzung, das alles hat die ganzen Jahre über unglaublich viel Zeit und Nerven gekostet.
Wie ist die Stimmung im Kollegium? Kennen die Schüler Ihre Vorgeschichte?
Die Schülerinnen und Schüler wussten zumindest in groben Zügen von Anfang an Bescheid. Die Geschichte war ja durch die gesamte Presse gegangen, vom Fernsehen bis zum Boulevard. Das Kollegium hat sich mir gegenüber sehr solidarisch verhalten, nicht im politischen Sinne, sondern auf einer menschlichen und kollegialen Ebene. Selbst wenn es vereinzelte Vorbehalte gegeben haben sollte, sind sie mittlerweile definitiv verschwunden.
Wie erklären Sie den Schülern das Berufsverbotsverfahren gegen Sie?
Ich habe ihnen gesagt, dass die Regierung mich wegen meiner Mitgliedschaft in der Antifa zum Verfassungsfeind erklärt hat und dass diese Entscheidung letztinstanzlich für Unrecht erklärt wurde. Aber wenn es um eine ausführlichere Bewertung der ganzen Angelegenheit geht, betone ich den Schülern gegenüber, dass ich in dieser Sache parteiisch bin und sie sich ruhig an anderer Stelle über meine Geschichte informieren sollen.
Hat sich das Land Baden-Württemberg bei Ihnen entschuldigt oder eine Entschädigung angeboten?
Vom Kultusministerium habe ich bis heute weder ein Wort des Bedauerns vernommen noch eine Entschädigung erhalten. Was Letzteres angeht, steht mein Anwalt aber noch in Verhandlung mit dem Regierungspräsidium.
Hat die Aufhebung des Urteils gegen Sie die versuchte Wiederbelebung der Berufsverbote in den konservativ regierten Bundesländern gestoppt?
Baden-Württemberg und Hessen haben durch das Gerichtsurteil einen gehörigen Dämpfer bekommen. Durch die deutlichen Formulierungen in der Urteilsbegründung wird sich jede Institution, die versucht, ein Berufsverbot zu verhängen, gründlicher überlegen müssen, was sie da tut. Allerdings existieren die gesetzlichen Grund­lagen für solche Berufsverbote immer noch, und mit den neuen Sicherheitsgesetzen kamen weitere hinzu. Die Geschichte der Berufsverbote ist staatlicherseits nicht aufgearbeitet, und die Betroffenen aus den siebziger und achtziger Jahren sind noch immer nicht rehabilitiert, geschweige denn entschädigt worden. In mehreren Bundesländern existieren auch heute noch groteske und rechtlich in keiner Weise haltbare Fragebögen, in denen Bewerber für den öffentlichen Dienst zu ihrer ehemaligen oder gegenwärtigen Mitgliedschaft in angeblich linksextremistischen Organisationen befragt werden. Das Bittere ist, dass diese kafkaesken Rituale von den Betroffenen aus lauter Angst und vorauseilendem Gehorsam akzeptiert und ausgefüllt werden. Juristisch sind die­se Dinger das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt sind, und politisch sind sie ein Skandal. Es gibt also noch viel zu tun.
Möchten Sie verbeamtet werden?
Ich bin bereits seit Ende letzten Jahres Beamter, nicht weil ich das unbedingt angestrebt hätte, sondern weil das der übliche Weg ist, auf dem Lehrer angestellt werden.
Während des Schuljahres kam es zu Problemen mit Neonazis, von denen Sie als gefährlicher »Autonomen-Lehrer« diffamiert wurden. Was ist vorgefallen?
Eine Gruppe von Nazikadern aus Hessen und Rhein­land-Pfalz tauchte vor der Schule auf, hat Broschüren und die »Schulhof-CD« der NPD verteilt und gegen meine Einstellung protestiert. Au­ßerdem wurde ein Video, in dem ein Bild von mir und Aufnahmen von der Schule, an der ich unterrichte, über Youtube ins Netz gestellt. Im Kultusministerium, das den Nazis die Steilvorlage für diese Diffamierungen geliefert hatte, gab es keinerlei Reaktion, nur eisiges Schweigen. Ich habe aber sehr viel Rückhalt aus dem Kollegium und, was mich besonders gefreut hat, von der Schülermitverantwortung bekommen.
Innerhalb der Solidaritätskampagne für Sie reichten die Forderungen von der Einhaltung bürgerrechtlicher Mindeststandards bis zu antikapitalistischer Staatskritik. Wie empfanden Sie diese Mischung?
Fundamentalkritik am Kapitalismus, die auf die Forderung nach Einhaltung bürgerrechtlicher Mindeststandards verzichtet, wäre meiner Einschätzung nach gefährliche Traumtänzerei und würde in erster Linie einer fragwürdigen Iden­titätspolitik dienen. Ich kann in diesem Span­nungs­feld gut leben, es bestimmt ja auch sonst meinen politischen Alltag.
Wie vereinbaren Sie die Mitgliedschaft in einer linksradikalen Antifa-Gruppe mit Ihrer Rolle als öffentliche Person? Wird das, was Sie sagen, als Position der Antifaschistischen Initiative Heidelberg (AIHD) betrachtet?
Die Gefahr besteht natürlich, aber wir versuchen, sie, so gut es geht, abzuwehren. Die Rückkehr zu pseudoklandestiner Antifa-Politik, die sich poli­tische Aktivitäten nur mit Sonnenbrille und Kapuzenpulli vorstellen kann, ist für uns jedenfalls keine Alternative. Obwohl beides zu gewissen Zeiten sicherlich sehr nützliche Kleidungsstücke sein können. Im Übrigen spreche ich zuweilen im Namen der Roten Hilfe, und bislang ist noch niemand auf die Idee gekommen, diese beiden Organisationen zu verwechseln.
Ist die AIHD dadurch eingeschränkt, dass ein Mitglied der Gruppe stets auf die Konformität seiner Äußerungen achten muss?
Ich muss nicht auf die Konformität meiner Äu­ße­rungen achten und habe das auch nicht vor, sonst hätte ich dieses Berufsverbotsverfahren gar nicht auf mich nehmen müssen. Aber wir brauchen uns auch nicht in die Tasche zu lügen und uns vormachen, dass wir ständig konspirativ im Untergrund sitzen und Umsturzpläne schmie­den würden. Aus ihrer Ablehnung des Kapitalismus und der Befürwortung außerparlamentarischer Aktionen hat die AIHD nie einen Hehl gemacht und wird es auch weiterhin nicht tun. Ich will nicht bestreiten, dass die Situation es erfordert, sich sprachlich differenziert zu äußern und plumpen Verbalradikalismus zu vermeiden. Das muss aber kein Nachteil sein.
Ein Grund für die Beobachtung durch den Verfassungsschutz und das Berufsverbotsverfahren war auch Ihr Engagement für das Autonome Zentrum in Heidelberg. Gibt es seit der Räumung des Zentrums vor neun Jahren eine Perspektive für ein neues Zentrum in der Stadt?
Auf der Ebene des Gemeinderats sieht es eher düster aus. Aber dass die Bewegung für ein neues autonomes Zentrum weiter aktiv ist und sogar wieder verstärkt Zulauf von jüngeren Leuten hat, finde ich immerhin ermutigend. Politische Verhältnisse sind trotz allem oft erstaunlich wandel­bar. Mitten im deutschnationalen Wiedervereinigungstaumel 1990 hätte sich ein außen stehender Beobachter kaum ernsthaft vorstellen können, dass die Bewegung für ein solches Zentrum Erfolg haben könnte. Ein Jahr später war es dann aber so weit.