Der Dialog führt nach Prag

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Nicht nur in französischen Filmen, auch in Büchern wird endlos geredet. Ein Beweis dafür ist Jean-François Vilars Krimi noir »Die Verschwundenen«, der zudem ein Steinbruch linker Geschichte ist – Revolutionsträume, Geheimdienste, Boheme, Obsessionen und Verbrechen inklusive. Die 1989 spielende Ge­schich­te, die mit einer zweiten Geschichte aus dem Jahr 1938 verbunden wird, handelt von der mysteriösen Entführung des Pressefotografen Victor Blainvilles, der nach dreijähriger Geiselhaft gemeinsam mit seinem Leidensgenossen Alex Katz pünktlich zum deutschen Mauerfall auf freien Fuß gesetzt wird. Für Victor beginnt jetzt die Recherche über die Hintergründe seiner Entführung, wobei er auf die Mitwirkung von Katz verzichten muss: Der wurde, kaum in Freiheit, in Paris von einem Lastwagen überfahren. Der Tote hinterlässt aber das spannende Tagebuch seines trotzkistischen Vaters Alfred, der sich ausgerechnet in Man Rays Lieblingsmodell hatte verlieben müssen und es ansonsten mit stalinistischen Agenten zu tun bekommen hatte. Bald ist die Szenerie zugestellt mit historisch so wichtigen Figuren wie André Breton, Hans Bellmer, Francis Picabia und Diego Rivera. Victor trifft eine Menge Leute und beginnt, Fragen zu stellen, er fragt sich durch bis nach Prag. So entsteht ein Dialog über verschiedene Zeitebenen hinweg, der so labyrinthisch ist wie der Pariser Stadtplan.

Jean-François Vilar: Die Verschwundenen. Aus dem Französischen von Andrea Stephani und Barbara Heber-Schöner.Assoziation A, Berlin 2008, 464 Seiten, 24 Euro