Die Übernahme der Dresdner Bank

Falsch beraten

Die Übernahme der Dresdner Bank durch die Commerzbank verändert das deutsche Bankenwesen. Die privaten Großbanken wollen in Zukunft den derzeit noch regulierten Sektor der Privat- und Kleinkunden erobern.

Dass die Dresdner Bank angeschlagen war, galt nicht unbedingt als Geheimnis. Seit ihrer Übernahme durch den Allianz-Konzern war die innere Struktur mehrfach erfolglos umgebaut worden. Einen schweren Schlag hatte der selbst­ernannten »Beraterbank« zudem die Immobilienkrise in den USA versetzt, in deren Verlauf sie 900 Millionen Euro abschreiben musste. Auch über die Fusion mit der Commerzbank und der Postbank zu einem zweiten großen deutschen Finanzkonzern, der sich mit der Deutschen Bank messen könnte, wurde seit Monaten spekuliert.

Dass die Fusion nun aber eine bloße Übernahme wird, nach der nur ein einziger Manager der Dresd­ner Bank im neuen Vorstand bleibt, kam unerwartet. Die Allianz verkauft ihr Tochter­unterneh­men in mehreren Schritten für 9,8 Milliarden Euro und wird mit etwa 30 Prozent beteiligt bleiben. Vor sieben Jahren zahlte der Allianz-Konzern für die Bank noch 23 Milliarden Euro. Etwa ein Drittel der 1 900 Filialen der bisherigen Dresdner Bank wird geschlossen, die restlichen sollen in Zukunft unter dem Namen der Commerzbank betrieben werden.
Außer der Commerzbank war seit Anfang des Jahres die China Development Bank (CDB) als Käuferin der Dresdner Bank gehandelt worden. Im Vorstand der Allianz gab es offenbar Stimmen, die sich für eine solche Variante aussprachen. Auch die Vertreter der Gewerkschaft und des Betriebsrats hatten sich für einen ausländischen Käufer eingesetzt, weil so nach ihrer Einschätzung weniger Arbeitsplätze wegfallen würden. Diese Möglichkeit galt aber als politisch nicht durchsetzbar. Zu heikel wäre es wohl gewesen, wenn eine der größten deutschen Privatbanken in die Hände des chinesischen Staats gekommen wäre.
Der nun kommende Abbau von Arbeitsplätzen wird in der bisherigen Zentrale der Dresdner Bank in der Frankfurter Taunusanlage deutliche Spuren hinterlassen, weil nach der Fusion allein in Frankfurt am Main unzählige Funktionen doppelt vorhanden sind. Wie der Spiegel berichtet, wird der Vorstandsvorsitzende der Commerzbank, Martin Blessing, weder im Vertrieb noch in den Filialen, sondern vor allem in den Bereichen Stellen streichen, die nicht mit der Kundenbetreuung betraut sind. In Stäben, Abwicklungsabteilungen und im mittleren Management wird in großem Umfang die Zahl der Arbeitsplätze verringert.
Auch die Dresdner Kleinwort wird nicht unangetastet bleiben. Angesichts der Finanzkrise wird die Investmentbank, die große Verluste zu verzeichnen hatte, kaum in der bisherigen Form weitermachen dürfen. »Redimensionieren und zurückstutzen« werde man die Dresdner Kleinwort, kündigte ein Vertreter der Commerzbank an.

Betriebsbedingte Kündigungen wird es voraussichtlich erst ab 2009 geben. Bis dahin schützt eine Betriebsvereinbarung die Beschäftigten der Dresdner Bank. Danach dürfte es allerdings mit der Zurückhaltung vorbei sein. Denn die Schutzvereinbarung würde nur im Fall unveränderter Eigentumsverhältnisse bis 2011 verlängert werden und ist mit der Übernahme durch die Commerzbank 2009 hinfällig.
Am Samstag demonstrierten 800 Beschäftigte gegen den Stellenabbau. Der Betriebsratsvorsitzende der Zentrale der Dresdner Bank, Hans-Georg Binder, erwartet, dass der größte Teil der Arbeitsplätze in seinem Haus gestrichen wird. »Die Blaupause für die Integration wird die Struktur der Commerzbank sein«, sagte er. Nach Schätzungen von Verdi werden allein in Frankfurt 4 700 Arbeitsplätze verloren gehen – der Großteil davon in der Dresdner Kleinwort.
Die Veränderungen im Bankenwesen in Deutsch­land nehmen mit dieser Übernahme Gestalt an. Zwar wird die Vergrößerung die Commerzbank in den nächsten Jahren noch beschäftigen, eine weitere Übernahme, nämlich die der Postbank, dürfte vorerst nicht bevorstehen. Dennoch macht die Führung der Commerzbank bereits deutlich, wo ihr nächstes Ziel liegt: Bisher verfügte die Bank lediglich über 83 Filialen und war damit im Privatkundengeschäft nur schlecht vertreten. Dies wird sich in Zukunft durch die – wenn auch verringerte – Zahl der bisherigen Filialen der Dresdner Bank ändern.
Der Firmenkundenvorstand der Commerzbank, Markus Beumer, sagte, man wolle den Marktanteil bei den kleinen und mittleren Unternehmern deutlich ausbauen. Die Zahl der Filialen könne bereits kurzfristig von 83 auf mehr als 100 steigen. »Wir werden dort angreifen, wo Sparkassen und Volksbanken stark sind«, kündigte Beumer in der Welt am Sonntag an. Derzeit kämen die Commerzbank und die Dresdner Bank »bei kleinen Mittelständlern« zusammen nur auf einen Marktanteil von etwa sechs Prozent. »Wir rechnen fest damit, hier den Marktanteil bis 2012 auf acht bis neun Prozent steigern zu können«, sagte Beumer weiter.
Das Ziel ist es also, mittelfristig den bisher noch relativ regulierten und von einem relativ hohen Anteil öffentlich-rechtlicher Banken gekennzeichneten Privat- und Kleinkundensektor zu erobern. Eine Schlüsselrolle könnte dabei der Postbank zufallen. Die Post AG will sie seit geraumer Zeit abstoßen. Allerdings stocken die Verhandlungen mit der Deutschen Bank, die sich die Postbank gerne einverleiben würde, aber davor zurückschreckt, das flächendeckende Filialnetz und mit den 21 000 Beschäftigten auch 7 000 unkündbare Beamte zu übernehmen. Auch verschiedenen ausländischen Interessenten ist der vom Vorstandsvorsitzenden der Post-AG, Frank Appel, geforderte Preis von etwa zehn Milliarden Euro zu hoch.

Es könnte also sein, dass dieser nächste große Verkauf noch eine Weile auf sich warten lässt. »Die Post steht im Gegensatz zur Allianz nicht unter einem ähnlich großen Zugzwang«, sagte Robert Mazzuoli von der Landesbank Baden-Würt­tem­berg dem Spiegel, »die Dresdner Bank war der Schwachpunkt der Allianz, die Postbank ist die Stärke der Post.« Zumindest könnte es angesichts des guten geschäftlichen Zustands der Postbank für den Vorstand der Post AG sinnvoll erscheinen, durch eine Unterbrechung der Verhandlungen den Preis in die Höhe zu treiben.
Langfristig jedoch werden die beiden großen Finanzkonzerne, Deutsche Bank und Commerzbank, versuchen, den Markt neu aufzuteilen und den Volksbanken, Raiffeisenbanken und Sparkassen das Geschäft deutlich schwerer zu machen. Die Kosten für dieses Spiel werden Beschäftigte und Kunden tragen müssen, so viel ist sicher.