Sympathische Schiedsrichter I

Der Preis ist Scheiß

<none>

Ausgerechnet dem am wenigsten bescheuerten Schiedsrichter der Welt, dem Italiener Pierluigi Collina, versaute ein zweifelhafter Komiker nun das, was einer der schönsten Abende seiner Karriere werden sollte.

Collina sollte bei einer von der Fernsehgesellschaft Rai ausgestrahlten Gala als »Schiedsrichter des Jahres« mit dem italienischen »Sport Oscar« ausgezeichnet werden. Und dann kam das: Einfach ausgerastet sei der Mann, der das diesjährige WM-Endspiel pfiff, berichtete die internationale Presse einhellig, und den Preis habe er bei seinem hastigen Rückzug von der Veranstaltung sogar in eine Mülltonne geworfen. Und das alles nur, weil er ein paar Witze über seine Glatze anscheinend nicht gemocht habe.

In Wirklichkeit war alles ein bisschen anders. Während der Übertragung hatte die Rai einen Sketch gesendet, in dem für eine imaginäre »Collina Haarlotion« geworben wurde. Der kahlköpfige Schiedsrichter konnte darüber nicht wirklich lachen, denn immer wieder sieht er sich mit mehr oder weniger geschmackvollen Witzchen oder Aktionen konfrontiert; dem Deutschen Fußballbund war vor einigen Jahren kein besseres Gastgeschenk als ausgerechnet ein Fön eingefallen.

Collina fühlte sich schlicht verarscht, zumal er nicht freiwillig kahl ist. Seit seinem 24. Lebensjahr leidet er an der Krankheit Alopecia, die zum irreversiblen Verlust aller Haare führt. Er selbst habe damit kein Problem, zumal er ja bereits erwachsen gewesen sei, als die Haare verschwanden, sagte er jetzt.

Aber für andere von der Krankheit Betroffene, besonders für junge, sei es schon ein harter Schlag, plötzlich keine Haare, Wimpern und Augenbrauen mehr zu haben. Das wisse er aus zahlreichen E-Mails von verzweifelten Eltern, deren Kinder ihn als Role Model ansähen. Darum habe er die Sendung auch unter Protest verlassen. »Denn ich mag Satire und Ironie, aber gerade einem Kind, das an Alopecia leidet oder als Folge einer Chemotherapie keine Haare mehr hat, hilft diese Art Mobbing nicht weiter.«

Das sahen Collinas Mitgeehrte wohl ähnlich. Denn neben dem italienischen Schiedsrichterverband, der in der Humorfrage durchaus als befangen angesehen werden kann, verließen auch die Fußballer des Meisters Juventus Turin unter Protest die Veranstaltung. Und zwar, obwohl Schiedsrichter in Italien noch härter behandelt werden als in anderen Ländern.

Die Rai veröffentlicht in dieser Saison zum Beispiel nach jedem Spieltag der Seria A eine Rangliste der schlechtesten Schiedsrichter. »Morenos Cup« heißt das Ganze in Anlehnung an den ekuadorianischen Referee Byron Moreno, der an der WM-Niederlage des italienischen Teams gegen Südkorea bei der diesjährigen WM mitschuldig war.

Collina lächerlich zu machen, könnte sich jedoch als ein ganz großer Fehler der Rai herausstellen. Der Fußballverband kündigte jetzt an, die TV-Verträge eventuell zu kündigen, wenn das Staatsfernsehen nicht bald mit dem Mobbing gegen Spieler und Schiedsrichter aufhöre.