Neue CD der Böhsen Onkelz

Junge Liberale

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»Die Böhsen Onkelz produzieren keine starken Töne gegen Schwache, sondern wütende Schreie gegen Starke und Selbstgerechte; Texte voller Zweifel, Schmerz und Sehnsucht.« Eine derartige Lobeshymne auf die Frankfurter Band findet sich nicht etwa im von der Plattenfirma ausgefüllten Waschzettel der neuen CD, sondern sie stammt von Alice Schwarzer, die diese Zeilen in einer Emma-Ausgabe Anfang 1993 abdrucken ließ.

Vor zehn Jahren, wir erinnern uns, marschierte der deutsche Mob in Rostock-Lichtenhagen auf und griff Asylbewerber an, während es sich die Polizei auf den Zuschauertribünen gemütlich machte. Unter den brandschatzenden Hools wurden Typen mit »Malcolm X«-Baseballkappen entdeckt, die popkulturellen Codes schienen nicht mehr eindeutig lesbar zu sein und Diedrich Diederichsen schrieb seinen folgenreichen Aufsatz »The Kids Are Not Alright«.

Die Emma war also voll trendy, Nazi-Rock war das Thema der Stunde und einer wie Stephan Weidner, der Sänger der Onkelz, wurde natürlich bis zu Alfred Bioleks »Boulevard Bio« durchgereicht.

Nun erscheint wieder mal eine Böhse-Onkelz-Platte, aber Bio wird bei Weidner nicht anrufen. Zwar darf man dank der taz die Onkelz als rechtsradikale Band bezeichnen, doch eigentlich will das gar niemand mehr. Songtitel wie »Türkenfotze glattrasiert« sind auf »Dopamin« genauso verschwunden wie andere rechtsextrem deutbare Texte.

Die Onkelz sind damit kein Thema mehr für das Feuilleton oder Debattenrunden, sondern nur noch eines für die Soziologen. Die müssen sich nun mit der Frage herumschlagen, warum die Onkelz als Phänomen immer noch so gut funktionieren, eine unglaublich treue Fan-Schar der Band durch dick und dünn folgt, und ob der Erfolg der Onkelz damit zusammenhängt, dass sie den Verlierern, den Arbeitslosen und Underdogs in Deutschland so tolle Identifikationsangebote machen.

Interessant ist, dass die realpolitischen Ereignisse der letzten Zeit, die Diskussionen darüber, ob ein wenig Antisemitismus nicht doch wieder erlaubt sein sollte, die neue Onkelz-Platte aus der Schmuddelecke holen. Gegen einen wie Möllemann wirken die Typen, die einen vom Cover von »Dopamin« mit festem Blick anschauen, richtig seriös.

Man kann sich über diese Band eigentlich gar nicht mehr aufregen. Und damit tut man ihr ja gerade keinen Gefallen. Denn sie lebt davon, dass man sich über sie aufregt. »Wir können es nicht lassen, hier sind - 12 Gründe mehr, uns abgrundtief zu hassen«, heißt es im ersten Song, »Die Firma«, der neuen Platte. Doch zur Zeit ist so viel anderes in Deutschland hassenswert, dass man seine Energien wirklich nicht auch noch an die Onkelz verschwenden möchte.

Hassen nicht, schlimm finden dagen immer noch. Denn der neue Status der Böhsen Onkelz im Befindlichkeitsdschungel der Republik macht die Band nicht weniger gefährlich. Die CDU und die FDP belegen derzeit eindrucksvoll, wie man mit den platten Ressentiments des Rechtspopulismus erfolgreich sein kann; die Wendehälse aus Frankfurt schreiben dazu den perfekten Soundtrack. Aus ihrer rechten Vergangenheit schlagen sie genauso Kapital wie aus dem Image der Geläuterten, die auf »Gegen rechts«-Veranstaltungen rocken. Solange die Verkaufszahlen stimmen, sind die Onkelz einfach für alles zu haben.

Die FDP sollte für ihr Projekt »18« nicht die neue Moby-Platte verschenken, sondern »Dopamin«.

Böhse Onkelz: »Dopamin« (Virgin)