EU-Innenministerkonferenz in Rom

Repressive Harmonie

Die EU-Innenminister wollen eine gemeinsame europäische Polizeitruppe schaffen, um Flüchtlinge abzuwehren.

Am Tag vor der lange erwarteten Abstimmung über das neue Ausländergesetz im Kopenhagener Parlament durften sich die Rechtspopulisten von der dänischen Volkspartei über unerwarteten Zuspruch freuen. Bislang hatten die meisten europäischen Staaten davor gewarnt, dass die restriktive Ausländerpolitik lediglich zu einer Verlagerung führe. Flüchtlinge und Migranten würden in anderen Ländern suchen, was ihnen in Dänemark verweigert werde.

Nun setzte die EU-Innenministerkonferenz, die am Donnerstag vergangener Woche in Rom tagte, selbst die »Begrenzung der Einwanderung« ganz oben auf die Tagesordnung. Die Losung hatten Bundeskanzler Gerhard Schröder und der französische Präsident Jacques Chirac einige Tage zuvor während der deutsch-französischen Konsultationen ausgegeben, als sie erklärten, das Thema Zuwanderung dürfe nicht der »äußersten Rechten« überlassen werden.

Deutschland und Frankreich wollen sich gemeinsam für eine striktere Kontrolle der Einwanderung nach Europa einsetzen. Die Konferenz in Rom war daher bestimmt von Reden über die Gefahren und Kosten illegaler Zuwanderung und vom Willen, die europäische Asylpolitik zu vereinheitlichen. »Wir wollen Europa nicht zu einer Festung machen«, erklärte der italienische Innenminister Claudio Scajola zu Beginn der Tagung, »aber wir müssen den Menschenstrom überwachen.«

In Dänemark ist man da schon weiter. Das neue Ausländergesetz, das am vergangenen Freitag verabschiedet wurde, sieht vor, Migranten künftig von zentralen Bürgerrechten auszuschließen. Das Asylrecht soll eingeschränkt und eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis nur noch in Ausnahmefällen erteilt werden, erläuterte Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen die »notwendigen Schritte«. Zudem soll es erschwert werden, binationale Ehen zu schließen.

Die Strategie, neben einer restriktiven Asylpolitik auch die sozialpolitische und rechtliche Situation von Flüchtlingen und Migranten zu verschlimmern, ist kein Novum in Europa. In den Niederlanden ist es beispielsweise schon seit langer Zeit möglich, Flüchtlingen, die nicht abgeschoben werden können, den legalen Aufenthaltsstatus und Sozialleistungen zu entziehen.

Die Zustände in französischen und britischen Flüchtlingscamps wurden in den vergangenen zwei Jahren systematisch verschlechtert. »Ein Geruch wie von toten Hunden liegt über den Lagern«, schrieb kürzlich der britische Observer. »Es fehlt an allem, sogar an Decken für die Nacht.« Der viel beschworenen Harmonisierung der europäischen Asylpolitik sind die einzelnen Mitgliedsstaaten in ihrer repressiven Praxis längst vorausgeeilt.

So war auch nicht die Forderung nach einer strikteren europäischen Flüchtlingsbekämpfung der wichtigste Punkt des deutsch-französischen Gipfeltreffens, sondern die Tatsache, dass sie zu diesem Zeitpunkt erhoben wurde. Angesichts der jüngsten rechtsextremistischen Wahlerfolge in Europa machten Schröder und Chirac somit deutlich, dass sich auch die bürgerlichen Parteien künftig stärker um ausländerfeindliche Wähler bemühen wollen.

Die ersten Voraussetzungen dafür wurden bereits auf dem EU-Gipfel von Tampere im Herbst 1999 geschaffen, wo die Einführung eines gemeinsamen Asylrechts beschlossen wurde. Schon damals kritisierten Organisationen wie Pro Asyl, dass die internationalen Standards im Flüchtlingsschutz auf nationaler Ebene längst demontiert würden. Die angestrebte Harmonisierung des EU-Rechts und nationale Alleingänge schließen einander daher nicht aus, sondern ergänzen sich.

Diese Entwicklung zeigt sich auch bei den Bemühungen, die Außengrenzen der EU abzusichern. So wollen die Innenminister der EU zwar das nationale Recht nicht aufweichen. Gleichzeitig möchten sie aber auch die gemeinschaftlichen Aufgaben ausweiten und bis 2007 eine europäische Polizeieinheit für die gemeinsame Grenzsicherung schaffen. Die endgültige Entscheidung darüber wird voraussichtlich Ende Juni auf dem EU-Gipfel in Sevilla fallen.

Großbritannien schlug sogar vor, die Royal Air Force zur Luftüberwachung einzusetzen, was allerdings eher eine quantitative Änderung der Grenzsicherung darstellen würde als einen qualitativen Wandel. Bereits jetzt patrouillieren Boote der italienischen Marine in der Adria, die jedoch keine Waffen gegen Flüchtlinge einsetzen dürfen.

Welche Vorteile hingegen die Auslagerung der Grenzsicherung in die beitrittswilligen Staaten der europäischen Peripherie bietet, stellte vor zwei Wochen die türkische Marine unter Beweis, als sie ein mit Flüchtlingen besetztes Schiff kurzerhand beschoss. Wesentlich interessanter als die Bekenntnisse zur gemeinsamen Asylpolitik dürften daher auch die Verhandlungen mit der Türkei und anderen Beitrittskandidaten gewesen sein, die am Innenministertreffen in Rom teilnahmen.

Seit Jahren fordern die EU-Staaten die türkische Regierung dazu auf, sich bei der Rückschiebung irakischer Flüchtlinge kooperativer zu zeigen. Schweden, Dänemark und die Niederlande kündigten Ende April an, größere Kontingente von abgelehnten Flüchtlingen in den Nordirak abzuschieben. Offiziell handelt es sich dabei um »freiwillige Rückkehrer«.

Dafür soll die halbstaatliche türkische Nichtregierungsorganisation Anatolia Development Foundation eine generöse Spende vom jeweiligen europäischen Abschiebeland erhalten. Bislang scheiterte das Abkommen jedoch vor allem an Deutschland, das die bilateralen Vereinbarungen in ein europäisches Abkommen verwandeln möchte.

Dabei sind die Aufgaben der Beitrittskandidaten bei weitem nicht auf die Kooperation bei Abschiebungen beschränkt. An den Stränden Marokkos patrouillieren schwer bewaffnete Militärstreifen, im kurdischen Osten der Türkei werden Flüchtlinge, die über die iranische Grenze kommen, gerne auch als »kurdische Separatisten« behandelt.

Pünktlich zur Innenministerkonferenz in Rom gab der Gouverneur der Provinz Erzincan, Halil Ibrahim Altinok, in der vergangenen Woche bekannt, dass erneut drei Flüchtlinge an der iranischen Grenze erschossen wurden. Die Männer aus Afghanistan und Bangladesch waren in Begleitung von 30 weiteren Flüchtlingen, die nach Europa zu gelangen hofften. Nach Angaben von Altinok wurden alle verhaftet.