Parlamentswahlen in den Niederlanden

Der feine Unterschied

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Tolerant, freizügig und liberal - die Niederlande genießen, ähnlich wie die skandinavischen Staaten, gerade bei Linken besondere Sympathien. Damit ist es nun wohl vorbei. Dass ausgerechnet dort ein Rechtspopulist beste Chancen hatte, die aktuellen Parlamentswahlen zu gewinnen, hat viele überrascht.

Nach dem gewaltsamen Tod von Pim Fortuyn werden seine Ideen vorraussichtlich noch populärer sein als zuvor. Das Attentat hat seiner Lijst Pim Fortuyn selbst bei vielen linksliberalen Wählern Sympathien eingebracht. So wurde nach dem Mord in zahlreichen Kommentaren auf die feinen Differenzen hingewiesen, die Fortuyn angeblich schon immer von anderen europäischen Rechtsextremisten wie etwa Jörg Haider oder Jean-Marie Le Pen unterschieden hätten.

Der ehemalige Soziologie-Professor habe nicht aus bloßem Ressentiment oder schlichtem Nationalismus gegen Ausländer gewettert, sondern nur, um liberale Werte zu verteidigen. Gerade weil das Land so tolerant sei, müsse es sich besser gegen Fremde schützen. Fortuyns Kampf gegen den Islam als »rückständige Kultur«, gegen frauenfeindliche und homophobe Haltungen innerhalb der islamischen Gemeinde gilt mittlerweile selbst bei Linken zumindest als diskussionswürdig. Er wird somit nachträglich zu einem, wenn auch etwas konservativen, Liberalen umgedeutet.

Wie viele Stimmen seine Liste bei den Wahlen nun gewinnt, spielt dabei schon fast keine Rolle mehr. Die Partei hatte im Wesentlichen nur die Funktion, ihrem Vorsitzenden ein Forum zur Selbstdarstellung zu bieten. Selbst ehemalige Freunde Fortuyns wie der TV-Moderator Harry Mens haben der Liste den gut gemeinten Rat erteilt, sich einfach aufzulösen. Ihr Personal sei schlicht unfähig, ein Regierungsamt auszuüben, erklärte er in der vergangenen Woche.

Solche Personalprobleme sind typisch für autoritäre Organisationen, neben dem charismatischen Führer gibt es eben keinen Platz für andere. Das gilt sogar für die Zeit nach dem Tod. Denn nach dem niederländischen Wahlrecht ist es möglich, dass Fortuyns Name weiterhin auf den Wahlzetteln bleibt. Die Bürger können somit einer Leiche ihre Stimme geben.

Auch wenn Fortuyn die Erfolge seiner Propaganda nicht mehr erleben kann, andere werden für ihn weitermachen. Die Konservativen und Liberalen haben bereits angekündigt, sein Erbe anzutreten. Sie werden künftig, ebenso wie zuvor Fortuyn, von einer Stimmung profitieren, die spätestens seit den Anschlägen vom 11. September politisch dominant ist in Europa. Die Fremden werden als Synonym für eine immer bedrohlicher werdende Welt wahrgenommen.

Es ist kein Zufall, dass sich im Zeitalter der so genannten Globalisierung und der subnationalen Institutionen wieder die Sehnsucht nach gesicherter Zugehörigkeit, also nach »Heimat« und »Identität« Geltung verschafft. Den rigorosen Erfordernissen des globalisierten Kapitalismus nach zeitlicher Flexibilität sowie sozialer und kultureller Mobilität wird das Bedürfnis nach Authentizität und »Identität« gegenübergestellt. Ein Wunsch, der in den Niederlanden von Fortuyn offenbar perfekt verkörpert wurde.

Die dunkle Seite der Globalisierung wird hingegen mit den fremden Habenichtsen identifiziert, die sowohl den materiellen Wohlstand wie auch die soziale Sicherheit zu untergraben drohen. Mit dem Ruf nach einem härteren Vorgehen gegen Ausländer und mehr Innerer Sicherheit werden von Portugal bis Dänemark die Wahlen gewonnen. Nun hat sich auch in den Niederlanden dieser Trend bestätigt.