Schwachsinnige Ehrungen I

Who is Who?

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Der Euro wurde mit dem Karlspreis ausgezeichnet. Geben Sie es zu: Sie haben keine Ahnung, was der Karlspreis ist. Der Euro weiß es auch nicht. Der Karlspreis soll herausragende Persönlichkeiten ehren, die sich um den europäischen Gedanken verdient gemacht haben. Er ist mit 5 000 Mark, einer Urkunde und einer Medaille zum Umhängen ausgestattet. Der ganze Krempel geht nun an den Euro. Dabei ist der Euro weder eine herausragende Persönlichkeit, noch hat er sich in irgendeiner Weise um den europäischen Gedanken verdient gemacht. Er ist schlicht europäischer Gedanke. Da hätte der Karlspreis sich doch konsequent selbst auszeichnen sollen. Denn wer, außer ihm, macht den europäischen Gedanken deutlicher als er selbst?

Den Euro auszuzeichnen ist in etwa so, als würde man nicht einen Autor für einen besonderen Roman mit einem Literaturpreis beschenken, sondern den Roman selbst. Würde mich auch nicht wundern. Passiert es doch gar nicht selten, dass Autoren erst nach ihrem Tode Literaturpreise erhalten. Jedes Mal frage ich mich nach dem Sinn. Zu Lebzeiten verpasste Ehrungen lassen sich doch posthum nicht nachholen! Auch nicht, wenn man einfach so tut. So wurde Marlene Dietrich zehn Jahre nach ihrem Tod Ehrenbürgerin von Berlin. Tote haben keine Ehre, jedenfalls nicht über ihren Tod hinaus. Eine Tote zur Ehrenbürgerin zu machen, ist Leichenfledderei.

Nebenbei finde ich es geradezu unverschämt, Menschen, die sich nicht mehr wehren können, mit derartigen Ehrungen zu belästigen. Man nimmt ihnen ihre Freiheit, nein zu sagen. Das scheint den Leuten aber gar nicht klar zu sein. Man kann irgendwo eine Tafel anschrauben, ein Denkmal errichten, die Erinnerung bewahren, Menschen und Ereignisse würdigen. Mit Würde weiß unsere Betroffenheitsgesellschaft aber in angemessener Weise überhaupt nicht umzugehen. Bestes Beispiel: die Gedenkminute. Da passiert es nicht nur, dass für ein- und dasselbe Ereignis mehrere Gedenkminuten abgehalten werden, erst am Montag, dann am Freitag, zwei Wochen später gleich noch einmal. Da werden prompt auch mal fünf Gedenkminuten verordnet!

Eine Gedenkminute ist ein symbolischer Akt, der sich durch Verfünffachung nicht steigern lässt. Abgesehen davon, dass eine Gedenkminute nicht exakt 60 Sekunden zu dauern hat. Da hält man inne und geht in sich. Da starrt man weder auf eine Uhr noch stellt man sich einen Wecker!

Übrigens bin ich selbst mit einigen Preisen ausgezeichnet worden. Ich steh' sogar im »Who is Who«! Ich glaub', ich frag' da mal nach, ob die mich alle längst für tot halten. Danach schlage ich den deutschen Wald für einen Umweltpreis vor, weil er immerfort Sauerstoff macht. Und zur nächsten Bluttat erfinde ich die Gedenkstunde.