Die Linke und das Weltsozialforum in Porto Alegre

Mischt sie auf!

In Porto Alegre entpuppten sich Globalisierungskritiker als Freunde des Kapitals, die sich nach seiner Verwertung sehnen.

Eine andere Welt« - wer wollte sie nicht? Unter diesem Motto trafen sich die Globalisierungskritiker zum Weltsozialforum (WSF) in Porto Alegre. Betrachtet man aber die Abschlusserklärung dieses Forums, kommen starke Zweifel auf, ob das Motto tatsächlich ernst gemeint war. Festgestellt wird darin beispielsweise: »Selbstbestimmte Ernährung auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene ist ein Menschenrecht.« Allgemein betrachtet ist ein Menschenrecht das Recht des Bürgers auf seine Verwertung durch das Kapital. Und Kapital und Staat gehören zusammen, weil der Staat notwendige Bedingung der Kapitalakkumulation ist. Ein Staat aber ist ein gewaltförmiges unmenschliches Zwangsverhältnis.

Auch die Promis stricken fleißig an »Alternativen« zur Welt des Kapitals und affirmieren gleichzeitig deren Grundkategorien. Der philippinische Soziologe Walden Bello, den man auch »Guru der Globalisierungskritiker« nennt, hat auf dem WSF gesagt, man müsse »Raum schaffen für Entwicklungsmodelle, die sich nicht primär am Weltmarkt, sondern an der Produktion für die Bedürfnisse der Bevölkerung in den Ländern des Südens orientieren«, und schon werde es auch mit der selbstbestimmten Ernährung klappen. José Bové, ein französischer Bauer, behauptet ständig, dass der Markt den Menschen zu dienen hätte und nicht umgekehrt.

Damit sind zwei repräsentative globalisierungskritische Meinungen benannt, die ähnlichen schweren Irrtümern unterliegen. Weder kann es Entwicklungsmodelle geben, die sich nicht primär am Weltmarkt orientieren, noch einen Markt, der den Menschen dienen könnte. Die gesamte Weltgesellschaft steht unter dem Bann des Kapitals, welches nicht eine Personifikation des bösen politischen Willens zur Macht ist, sondern Ausdruck eines gesellschaftlich totalen Produktionsverhältnisses. Menschen sind dem Kapital zwingend Mittel zum Selbstzweck. Für diesen Selbstzweck macht das kapitalistische Produktionsverhältnis alle Menschen zu ausnahmslos gleichen Besitzern ihrer Ware Arbeitskraft.

Dabei ist zu betonen, dass es eben nur einen Kapitalismus gibt und nicht einen bösen entfesselten und einen guten gefesselten, wie es die Verfechter eines neuen Keynesianismus behaupten, die im schlimmsten Falle den guten, weil »gefesselten« europäischen Kapitalismus dem schlechten, weil »entfesselten« US-Kapitalismus entgegenstellen. Das Gleichheitsdiktat des Marktes, auf dem die Menschen nichts als gleiche Waren sind, korrespondiert mit dem Gleichheitspostulat von gleichen Rechten und Gerechtigkeit für alle.

Man kann also ohne Umschweife zu dem Schluss kommen, dass die Globalisierungsgegner keine Kritiker des Kapitals sind, sondern sich nach Verwertung durch dasselbe sehnen, damit es ihnen materiell ein wenig besser geht. Wenn es in Porto Alegre hieß, dass die »neoliberale Politik (...) Elend verursacht«, so ist das keine wirkliche Kritik. Nicht die Politik ist die Wurzel des Übels, sondern das Kapital. Politik ist nur der Ausdruck einer Herrschaftsform, nicht aber ihr Inhalt - egal, ob man sie nun gerecht oder ungerecht nennt.

Die Hauptkritik an der Anti-Globalisierungsbewegung besteht also darin, dass diese sich die Frage nach dem Wesen von Staat, Politik und Kapital gar nicht stellt. Ohne eine Antwort auf diese Frage jedoch ist radikale Kritik nicht möglich.

Die Antwort auf die soziale Frage aber lautet: Das Kapital ist das Problem. Wer, wie auf dem WSF geschehen, den Anspruch erhebt, »die Konzentration von Reichtum, die Ausdehnung der Armut und die Zerstörung der Erde« zu beenden, sollte auch Folgendes bedenken: »Die Sympathie für die Unterprivilegierten ist (...) nur ein billiger Vorwand, sich die Einsicht in das Ausmaß der Verwüstung zu ersparen, von der man zu allererst selbst betroffen ist« (Wolfgang Pohrt).

Bevor man sich also wie in Porto Alegre den Kopf darüber zerbricht, was die anderen menschlichen Geschöpfe wohl für ein Problem mit dieser Gesellschaft haben könnten, und dabei zu karitativer Höchstform aufläuft, sollte man sich besser die Frage nach den wirklichen Ursachen stellen, als sich ständig von diesen abzulenken.