Bankenkrise und Rettungsfonds

Knietief im Sicherungsfonds

Das Ersparte ist sicher – dafür sollen in Deutschland im Fall eines Bankenkonkurses verschiedene Rettungsfonds sorgen. Doch was geschieht, wenn wie im Fall der derzeitigen Krise in den USA der gesamte Bankensektor erschüttert wird?

Am 24. August 1857 traf viele Besitzer von Spargut­haben in den USA ein Schock. Die »Ohio Life Assurance and Trust Company« hatte völlig überraschend ihre Schalter geschlossen. Es war nicht der erste Bankrott im amerikanischen Bankwesen. Die vorhergegangenen hatten zwar auch einige große Häuser getroffen, aber nicht solche mit einer so vorzüglichen Reputation – Ohio Life galt als äußerst solides Unternehmen.

Banken leben von der Differenz zwischen dem Zinssatz, den sie verlangen, wenn sie Geld verleihen (Aktivzinsen), und dem, zu dem sie sich selbst Geld borgen (Passivzinsen). Auf der Suche nach hohen Aktivzinsen war Ohio Life unversehens in eine Spekulationsblase geraten, die erst hinterher als solche erkannt wurde: die Spekulation auf Waren aller Art. Man kaufte Weizen, Zucker, Baumwolle oder Eisen nicht etwa deshalb, weil man die Güter so schnell wie möglich dem Konsum zuführen wollte, sondern hortete Waren aller Art in dem Glauben, die Preise würden ewig – oder zumindest noch einige Monate – weiter steigen. Ohio Life hatte sich zwar nicht selbst an der Spekulation beteiligt, aber den Spekulanten Geld geborgt.
Als der Crash kam, fror der Warenmarkt ein, und viele Forderungen waren wertlos oder nur sehr schwer einzutreiben – keinesfalls so schnell, wie die Kunden an ihr Geld wollten. Ohio Life bekam Liquiditätsprobleme und war schließlich pleite. Als besorgte Sparer dann alle auf einmal ihre Gelder von anderen Banken abheben wollten, mussten über hundert weitere große Handels­häuser schließen. Bankenkrisen verlaufen oft nach ähnlichem Muster: Schwindet plötzlich das Vertrauen, will jeder, der einem anderen etwas geliehen hat, es so schnell wie möglich zurückha­ben – und oft sitzen ihm selbst die Gläubiger im Nacken. Eine Kettenreaktion erfasst erst die Banken, dann die ganze Wirtschaft.
Um dies zu verhindern, gibt es heutzutage unaufhörlich sprudelnde Geldquellen: die Zentral­banken als so genannte lender of last resort, als »Kre­ditgeber der letzten Instanz«. Das andere Instrument, das Vertrauen schaffen soll, ist die Einlagensicherung. Davon gibt es in Deutschland mehrere. Zunächst gilt: Eltern haften für ihre Kinder, d.h. eine Muttergesellschaft muss für die Verluste ihrer Tochtergesellschaften, wie z.B. Banken, Versicherungen oder Direktbanken, aufkommen.
Gerät der gesamte Konzern ins Trudeln, wird die gesetzliche Einlagensicherung aktiv. Die juristische Grundlage ist das Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz (ESAEG), das am 1. August 1998 in Kraft trat und einer EU-Richt­linie zur Harmonisierung der Sicherungssysteme entsprechend erfolgte. Der gesetzliche Schutz gilt für Girokonten, Spareinlagen und Forderungen aus Wertpapiergeschäften, jedoch nur in einer Höhe von 90 Prozent der Schadenssumme und bis höchstens 20 000 Euro je Kunde. Das ist nicht sehr viel, wer ein Leben lang gespart hat, hat oft mehr.

Dafür gibt es dann den freiwilligen Einla­gen­sicherungs­fonds, dem alle namhaften deutschen Geldinstitute angehören. In einer Broschüre des Bundesverbands deutscher Banken heißt es über ihn: »Durch den Einlagensicherungsfonds des Bundesverbandes deutscher Banken sind die Gut­haben jedes einzelnen Kunden bei den privaten Banken bis zur Höhe von 30 Prozent des maßgeblichen, haftenden Eigenkapitals der jeweiligen Bank zum Zeitpunkt des letzten veröffentlichten Jahresabschlusses voll gesichert.« Das ist also schon sehr viel mehr. Hat eine Bank ein haftendes Eigenkapital von 100 Millionen Euro, dann wären 30 Millionen Euro abgesichert, wohlgemerkt: pro Kunde. Dem Bundesverband deutscher Banken zufolge bedeutet dieses Einlagensicherungskonzept »praktisch die volle Sicherung sämt­licher Guthaben bei den privaten Banken. Selbst bei kleinen Banken mit einem Eigenkapital von fünf Millionen Euro werden bereits Beträge bis zu eineinhalb Millionen Euro pro Einleger voll geschützt.« Das klingt beruhigend.
Nicht abgesichert sind aber beispielsweise Inhaberschuldverschreibungen. Dazu zählen etwa Zertifikate auf Aktienindizes oder Rohstoffe – eben die Formen der Geldanlage, die in den vergangenen Jahren von den Banken besonders stark beworben wurden.
Unsicher ist zudem, ob die Geldmenge im Sicherungsfonds im Krisenfall ausreicht. Diese Frage wurde schon einmal in einem relativ kleinen Fall gestellt, aus Anlass des drohenden Konkurses der Schmidt-Bank im Jahr 2002. Dies war der bislang größte Schaden für den Fonds und kostete ihn 1,3 Milliarden Euro. Mit 950 Millionen Euro sprang er ein, als die Mittelstandsbank IKB gerettet werden musste. »Freiwillig« heißt der Sicherungsfonds übrigens, weil es im Schadensfall keinen Rechtsanspruch darauf gibt, von ihm entschädigt zu werden.
Sollte eine große Bank pleite gehen oder es zu einer Krise des gesamten Sektors kommen – da die Banken untereinander Geschäfte machen, kann das eine das andere schnell nach sich ziehen –, wird der Rettungsfonds sowieso kaum ausreichen. Vorgesehen ist nämlich nur, dass viele gesunde Kreditinstitute einem kranken helfen; sind alle krank, funktioniert es nicht, denn einen Rücklagenfonds, der so groß ist, dass sich alle gleichzeitig daraus bedienen könnten, gibt es nicht. In dem Fall müssten die Sparer darauf hoffen, dass die Zentralbanken und Regierungen einspringen, um einen allgemeinen Bankenkollaps zu verhindern – hätten dann aber immer noch das Risiko, dass sie nicht wissen, ob ihre Hausbank zu den Geretteten gehören wird.

Auch ohne einen Bankenzusammenbruch in Deutschland könnten hiesige Sparer durch die Kri­se Verluste erleiden. Denn auch Fonds, die in festverzinsliche Wertpapiere investieren – also Geldmarkt- und Rentenfonds – könnten betroffen sein, und damit sogar solche Anlagen, die als sehr sicher gelten und deshalb von risikoscheuen Anlegern bevorzugt werden. Wie das Handelsblatt berichtet, können Vertreter großer Geldmarkt- und Rentenfonds »nicht ausschließen, dass auch hier Fondsprodukte Probleme bekommen«.
Früher galten steigende Zinsen als das große Risiko eines Rentenfonds, da dann die Kurse der Anleihen fallen. Dieses Risiko kann man jedoch ausschließen, indem man eine Anleihe bis zum Ende der Laufzeit hält, so dass über einen Zeitraum von mehreren Jahren der Ertrag von Renten­fonds immer positiv sein sollte, wenn es sich nicht gerade um einen handelt, der bewusst in Pa­piere von Schuldnern minderer Bonität investiert. Im Fall von konservativen Rentenfonds oder Geldmarktfonds – das sind Fonds, die in Anleihen oder anleiheähnliche Produkte mit sehr kurzen Restlaufzeiten investieren – brauchte man sich um das Risiko, dass etliche in dem Fonds ent­haltene Papiere wertlos werden könnten, keine Sorgen zu machen. Dass eine große Bank wie Lehman Brothers bankrott machen könnte, schien undenkbar, die Rating-Agenturen bescheinigten ihr ja noch in diesem Sommer eine sehr gute Bonität.
Der jahrzehntelang gehegte Glauben, konservativ angelegte Sparguthaben seien bei großen Banken völlig sicher, schwindet nun etwas. Risiken, die sich aus der Möglichkeit ergeben, dass ein Bankhaus bankrott macht, werden wieder ernst genommen, und viele Anlageberater dürften zum ersten Mal in ihrem Leben verstehen, warum in Indien auch heute noch ein großer Teil des privaten Vermögens in Gold aufbewahrt wird. Man kann es als Schmuck am Körper tragen, und es wird niemals wertlos. Beides trifft auf andere Formen der Geldanlage nicht immer zu.
Wie in allen Krisen mahnen Politiker zu »Besonnenheit«, die Bürger brauchten keine Angst um ihre Sparguthaben zu haben, heißt es. Solche Aussagen sind natürlich wertlos, denn Politiker und Wirtschaftsmenschen können ja gar nicht anders, als so zu reden. Einen Satz wie »Ich rate den Bürgerinnen und Bürgern zu Panik«, dürfte Peer Steinbrück (SPD) niemals aussprechen, weil er das Verbrauchervertrauen beeinträchtigen könnte. In manchen Situationen aber ist Panik die einzig vernünftige Reaktion. So wie ein gescheiter Mensch nicht das S-Bahn-Surfen betreiben oder seinen Kopf in das Maul eines Löwen stecken wird, so sollte er auch kein blindes Vertrauen in die Solidität von Banken haben.